Spaziergang durch München mit zwei indigenen Aktivist*innen aus #Kolumbien

In der Nähe des großen Dorfes Rio Sucio im Norden der Chocó Region, an der Grenze mit Panamá, findet man verschiedenen Siedlungen der indigenen Gemeinschaft Emberá. Gabriel Marrugo vertritt diesen Gemeinden durch den Obersten Indigenen Rat des Bajo Atrato-Gebietes CAMISBA (Cabildo Mayor de Indígenas de la Zona del Bajo Atrato). Fast am anderen Ende des Landes, in der Gemeinde Yunguillo, einem Dorf mit 1.800 Einwohnern, das zur Gemeinschaft der Inga im kolumbianischen Amazonasgebiet gehört, lebt Killa Becerra Jacanamejoy. Killa war Gouverneurin des Cabildo ihrer Gemeinde und ist eine indigene Anführerin und Umweltaktivistin, die das Land ihrer Gemeinde gegen Bergbau- und Ölunternehmen verteidigt.

Mit Killa und Gabriel nahmen wir uns vor, München aus anderen Augen zu sehen und einen Perspektivwechsel zu ermöglichen, was uns in form eines Spaziergangs durch die Innenstadt gelang. Killa und Gabriel sorgten für einen angerechten Erfahrungsaustausch und schufen Einblicke in die aktuellen Situationen und Herausforderungen ihrer Gemeinden.

Das Problem der Ressourcen

Der Rundgang begann mit einer Reflexion über die Verschwendung von Ressourcen und die Herrschaft der europäischen Kolonialmächte, die unter anderem in den lateinamerikanischen Ländern aufgrund der Ausbeutung von Ressourcen zur Befriedigung der europäischen Nachfrage große Auswirkungen hatte. Diese Situation betraf und betrifft vor allem indigene Gemeinschaften.

An dieses Thema der Ressourcenausbeutung knüpfte Killa Becerra an, indem sie die Probleme ansprach, die in ihrer Gemeinde im Zuge einer Ausdehnung des Territoriums nach 2013 von 4.320 auf 30.000 Hektar entstanden. Da das Gebiet Ressourcen für den Kohle und Goldabbau beinhalt, seien darüber kriegerische Auseinandersetzungen entbrannt. Außerdem liege die Region strategisch günstig für den illegalen Anbau von Koka, was dort ebenfalls zum Krieg zwischen bewaffneten Gruppen geführt habe und die Gemeinden stark negativ beeinflusse.

Zusätzlich spiele die Politik durch diverse Projekte in der Region ebenfalls eine Rolle, so Becerra. Zu diesen zähle u.A. das Projekt "Grüne Straßeninfrastruktur für die Menschheit", ein Megastraßenprojekt mitten im Amazonasgebiet, das einen Teil der Gebiete zerstört hätte. Dieses Projekt wurde glücklicherweise 2014 durch eine Allianz verschiedener indigener Gemeinden aus Peru, Brasilien und Ecuador gestoppt.

Gabriel Marrugo ergänzte dazu, dass die Regierung Duque im März 2022 den Unternehmen "Libero Cobre" und Anglogold Ashanti Lizenzen zum Abbau von Kohle und Kupfer in der Nähe des Atrato-Flusses erteilt habe, und somit die Ausbeutung der Region ebenfalls vorangetrieben habe.

Killa und Gabriel nannten folgende weitere Probleme in den Gemeinden:

  • Die Kokapflanze ist für die Gemeinschaften der Inga heilig. Leider wurde dies von bewaffneten Gruppen nicht respektiert. Stattdessen wurden die Menschen aus den Gemeinden gezwungen, Koka illegalerweise für den Drogenhandel anzubauen und sie wurden teilweise gewaltsam aus ihren Gebieten vertrieben
  • Im Zuge der Covid-19 Pandemie verschlimmerte sich die Situation, da bewaffnete Gruppen die Kontrolle über die indigenen Gebiete übernahmen und beispielsweise begannen, von den Mitgliedern der Gemeinden Schutzgeld zu erpressen  
  • Für die Gemeinden der Inga ist die kommerzielle Ausbeutung von Erdöl und Gold ein großes Problem, da diese Ressourcen eigentlich sehr heilig für sie sind: Erdöl verbindet die Inga mit der Unterwelt und hilft ihnen dabei, die Erde besser zu verstehen. Gold ermöglicht ihnen, mit der Sonne zu kommunizieren. Diese heilige Funktion ging durch die Ausbeutung dieser Materialien verloren

Für Killa unterstrichen die vorangegangenen Themen und Probleme in den Gemeinden die Notwendigkeit, wieder eine innige Beziehung zur Natur herzustellen, um allen eine lebenswerte Erde zu erhalten.

Gabriel Marrugo berichtete von ähnlichen Problemen in seiner Gemeinde, was den Anbau von Kokablättern angehe. So würden die Menschen vor Ort von bewaffneten Gruppen zum illegalen Anbau gezwungen und es gebe auch ein Problem durch die gewaltsame Vertreibung vieler Indigener. Er erklärte, dass es außerdem im Gebiet der Emberá große Goldvorkommen gebe, die zur Ansiedlung großer Unternehmen zur Ausbeutung dieser Ressource geführt hätten. Gleichzeitig hätte dies eine Präsenz rechtsextremer paramilitärischer Gruppen wie die Autodefensas Gaitanistas de Colombia zur Folge gehabt.

Internationale Unterstützung oder Instrumentalisierung?

Killa Becerra berichtete, dass sie die Hilfe von Nichtregierungsorganisationen (NROs) des globalen Nordens für problematisch halte. Sie erläuterte, dass sich diese NROs für das schuldig fühlten, was die Regierungen des globalen Nordens insbesondere den indigenen Gemeinschaften angetan hätten. Viele dieser NROs würden mit Geldern dieser Regierungen finanziert, seien sehr bürokratisch und degradierten die indigenen Gemeinschaften regelrecht zu Bettlern und Bittstellern. Killa nannte als Beispiel, dass sie ein Angebot von einer amerikanischen NRO bekommen habe, sie zu einer Art Geschäftsfrau für die Umwelt zu machen. Dagegen weigerte sie sich, da die Gemeinden keine Industrie bzw. kommerzieller Handel seien. Sie verstehe ihre Gemeinden eher als Gegenteil, da sie Mais, Kakao usw. nur auf ausgewogene Weise anbauten.

Mehr Solidarität wagen

Killa Becerra betonte gegen Ende der Veranstaltung, wie wichtig es sei, dass die indigenen Gemeinden mit ihren Weisen und Ältesten von westlichen Regierungen und Partnern in ihrem Bestreben unterstützt werden müssten, das Leben der Lebenden und Nichtlebenden wie der Natur und den Flüssen zu schützen und zu erhalten. Dabei waren sich Killa und Gabriel einig, dass Verbündete gefunden werden müssten, die dem Ruf nach Mitgefühl der Umwelt gegenüber folgten und sich für diese Ziele einsetzten.

In den Abschlussworten von Gabriel zeigte sich dieser dankbar und hoffnungsvoll, da er viel Solidarität und Unterstützung mit den indigenen Gemeinschaften erfahren habe. Er rief zu einer internationalen Integration auf und zeigte sich überzeugt, dass Einigkeit der beste Weg sei, um ihre Gemeinschaft voranzubringen.

Unter den Anwesenden herrschte der Konsens, dass es einen Prozess hin zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit unserer Natur, Umwelt und Erde im Ganzen brauche. Dieser Prozess müsse auch zum Ziel haben, zu zeigen, dass die Erde auch Rechte habe und dass für die Respektierung dieser Rechte gekämpft werden müsse. Dazu sei eine gewisse Abkehr von immer mehr Konsum und eine Änderung unserer Technologien und Lebensmodelle notwendig. Dies könne am besten in Solidarität mit den indigenen Gemeinschaften geschehen.

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Killa und Gabriel betonten die große Bedeutung der Harmonisierung unserer Gesellschaften, um ein Leben mit ausreichend Nahrung, Unterkunft und angemessener Kleidung, jedoch ohne Akkumulation anzustreben. Dieser Fokus steht in Einklang mit folgenden Entwicklungszielen der Vereinten Nationen: kein Hunger (2), Gesundheit und Wohlbefinden (3), sauberes Wasser (7), nachhaltige Gemeinschaften (11) und ganz besonders, wie Killa betont, der Schutz des Lebens der Landökosysteme (15).

 

Veranstaltet von

dem Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit in Kooperation mit Aluna Minga e.V.

Gefördert durch Engagement Global mit Mitteln des


Für den Inhalt dieser Publikation ist allein das Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V. verantwortlich; die hier dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt von Engagement Global oder des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wieder.


 

Protokoll der Veranstaltung in spanischer Sprache als pdf zum Download

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