Doppelt so viele Paramilitärs im Norden von Kolumbien

Von Hans Weber - amerika21

Bogotá. Die Anzahl der Paramilitärs im nördlichen Departamento Córdoba in Kolumbien soll im Verlauf der vergangenen Woche von 160 auf 400 zugenommen haben. Das berichtet der lokale Bauernverband (Ascsucor). Dies geschah in Gebieten, aus denen sich die Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (Farc) im Rahmen der bevorstehenden Entwaffnung zurückgezogen hat. Die Paramilitärs gingen auf Streife und schüchtern die Bevölkerung der Region ein, beklagte der Sprecher von Acsucor, Andrés Chica.

Es handelt sich dabei offenbar um die Gaitán-Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AGC), auch als "Clan Úsuga" bekannt, die vor allem den Süden von Córdoba kontrollieren. Im Landkreis Montelíbano beispielsweise müssten die Einwohner regelmäßig Geld an die AGC zahlen. "Alle müssen ihren Befehlen gehorchen, alle müssen schweigen, ansonsten haben sie drei Optionen: sterben, verschwinden gelassen werden oder aus dem Dorf wegziehen", heißt es in einem Kommuniqué von Ascsucor. Die AGC sei auch für die Zwangsrekrutierung minderjähriger Jungen sowie die sexuelle Versklavung von Mädchen verantwortlich.

Die Bauernorganisation prangerte ebenso Drohungen gegen die Bauernaktivistin und Ascsucor-Mitglied, Petrona Isabel Polo, durch den AGC-Anführer "El Pollo" an, die sie zur Flucht gezwungen hätten. Der Paramilitär war vor zwei Monaten festgenommen worden. Die örtliche Staatsanwaltschaft ließ ihn allerdings wieder frei. Im Juni hatten die AGC mehrere Ascsucor-Aktivisten bedroht und ein Attentat auf einen Anhänger der linken Basisbewegung Marcha Patriótica verübt, weil diese Gruppierung öffentlich über die Friedensabkommen zwischen Farc und Regierung informiert hatte.

Die Gemeinden im Süden von Córdoba geben an, dass AGC-Männer sich als Kämpfer der ELN-Guerilla ausgeben, um von den Einwohnern Geldbeträge zu kassieren. "Als Bauernverband weisen wir die Äußerungen des Ombudsmann und der Staatsanwaltschaft über die Präsenz der ELN in der Region zurück", sagt Chica.

Trotz der offiziellen Demobilisierung der Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC) im Jahr 2006 sind die Paramilitärs aus Córdoba nie verschwunden. Die verbliebenen Strukturen haben den Drogenexport übernommen und benannten sich in AGC um. Sie haben ihre Geschäfte zudem auf andere Bereiche der Schattenökonomie wie den Menschenhandel ausgeweitet. Anfang 2016 haben sie durch einen "bewaffneten Streik" 38 Landkreise im Norden Kolumbiens lahmgelegt. Nun erhöht die AGC die Zahl ihrer bewaffneten Männer parallel zum Rückzug der Farc-Kämpfer. Der paramilitärischen Gruppe werden Verbindungen zu regionalen Politikern, Unternehmern, Großgrundbesitzern und Staatsvertretern nachgesagt.

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