Historischer Sieg in Kolumbien: Linker Gustavo Petro gewinnt die Präsidentschaftswahl

Republikanische US-Kongressabgeordnete "bestürzt". Lateinamerikanische Präsidenten und Ex-Präsidenten gratulieren. Hernández erkennt seine Niederlage an

Petro twitterte: "Heute ist ein Festtag für das Volk"
Petro twitterte: "Heute ist ein Festtag für das Volk" - Quelle: Gustavo Petro/Facebook: fb/gustavopetrourrego

Von Hans Weber
amerika21

Bogotá. Zum ersten Mal in der kolumbianischen Geschichte gewinnen Vertreter:innen der linken Kräfte die Präsidentschaftswahlen. Mit 50,48 Prozent der Stimmen werden nun der Ex-Bürgermeister von Bogotá, Gustavo Petro, und die afrokolumbianische Aktivistin Francia Márquez zum Präsidenten und zur Vizepräsidentin des südamerikanischen Landes. Für den Immobilienmagnaten Rodolfo Hernández hat 47,26 Prozent der Wählerschaft gestimmt.

Die Wahlbeteiligung war mit knapp 58 Prozent höher als beim ersten Wahlgang.

Insgesamt wählten 11,2 Millionen Kolumbianer:innen eine linke Regierung. Das bedeutet über 2,7 Millionen mehr als bei der ersten Runde am 29. Mai. Es ist die höchste Stimmenzahl, die jemals in der Geschichte der Präsidentschaftswahlen für einen Kandidaten abgegeben wurde.

Hernández erkannte den Sieg seines Gegners kurz nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse an. Als Verlierer der Stichwahl erhält er automatisch einen Sitz im Senat. Auch Präsident Iván Duque gratulierte Petro telefonisch.

Andere Mitglieder der rechten Regierungspartei Centro Democrático, wie der Senator Ciro Ramírez, bezeichneten Petros Vorsprung von 700.000 Stimmen als "gering". "Wir werden eine sehr strenge Kontrolle im Senat durchführen, damit die Freiheiten und die Marktwirtschaft respektiert werden", verkündete Ramírez bei einem Interview mit dem Radiosender La W.

"Die Niemande, die von der Oligarchie Ausgestoßenen üben ihr Wahlrecht in El Tambo im Departamento Cauca aus"
"Die Niemande, die von der Oligarchie Ausgestoßenen üben ihr Wahlrecht in El Tambo im Departamento Cauca aus" - Quelle: @guenmecu

Die republikanische US-Kongressabgeordnete María Elvira Salazar reagierte noch heftiger auf Petros Sieg: "Bin sehr bestürzt über die Ergebnisse in Kolumbien. Petro ist ein Dieb, ein Terrorist und ein Marxist, ein Apologet von Castro und Chávez. Wir im Kongress werden seine Aktionen überwachen, um die Rechte und Freiheiten der Kolumbianer zu gewährleisten. Gott beschütze meine kolumbianischen Brüder!", twitterte sie.

Den Tonfall der Politiker:innen des progressiven Bündnisses Pacto Histórico, für das Petro und Márquez kandidierten, war hingegen versöhnlich. Alle betonten die Notwendigkeit, eine Regierung für alle Kolumbianer:innen zu bilden, auch für die 10,5 Millionen, die Hernández wählten. "Wir stehen vor der großen Herausforderung der Versöhnung", sagte Márquez gegenüber La W.

Die zehn Millionen Wähler:innen seien bei der neuen Regierung willkommen, teilte Petro in seiner Siegesrede mit. Die Anführer der künftigen Opposition, ob Hernández, der frühere Präsident Álvaro Uribe oder der Ex-Kandidat Federico Gutiérrez, seien im Präsidentenpalast, dem Palacio de Nariño, zum Dialog immer willkommen. "Wir werden die Macht nicht dafür einsetzen, unsere Gegner zu vernichten", äußerte der gewählte Präsident: "Kein Krieg mehr".

Márquez und Petro sprachen in diesem Sinne über die Notwendigkeit eines "nationalen Übereinkommens". Mit elf Millionen Wähler:innen sei der Anfang schon getan worden, so die Wahlsieger. Doch ein solches Übereinkommen müsse alle 50 Millionen Kolumbianer:innen erreichen. Dafür werde die Linksregierung "verbindliche regionale Dialoge" starten, bei denen die Ausgeschlossenen die Reformen mitbestimmen, die sie für ein Leben in Frieden brauchen.

Es gehe darum, "die größtmöglichen Konsense" zu erzielen, um beispielsweise Renten für alte Menschen, Hochschulzugang für die Jugend oder Nahrungsmittel für die Kinder zu garantieren. Frieden bedeute vor allem "soziale Gerechtigkeit", betonte Petro.

In Nabusimake im Departamento Cesar kommen Indigene verschiedener Gemeinschaften nach stundenlangen Fußmärschen zum Wahllokal, um ihre Stimmen für Petro und Márquez abzugeben
In Nabusimake im Departamento Cesar kommen Indigene verschiedener Gemeinschaften nach stundenlangen Fußmärschen zum Wahllokal, um ihre Stimmen für Petro und Márquez abzugeben - Quelle: @AtiQuigua

Der 62-Jährige verwies auf die Lügen der Gegenkampagne, laut denen er angeblich Enteignungen und die Zerstörung des Privateigentums durchführen würde. "Wir werden den Kapitalismus entwickeln. Nicht weil wir ihn anbeten, sondern um vormoderne, feudale und versklavte Lebensbedingungen zu überwinden."

Petro, der Volkswirtschaftler ist, sprach von der Notwendigkeit, eine produktive Wirtschaft anzukurbeln, die auf "neuen Formen der kollaborativen Ökonomie" basiert. Wie im Laufe seines Wahlkampfs versprach er, den Ausstieg aus der fossilen Rohstoffwirtschaft in die Wege zu leiten.

Seine Regierung werde einen "Dialog der Amerikas" über die Förderung der Energiewende in Gang setzen. Mit den USA will der künftige Präsident über eine gemeinsame Klimapolitik sprechen. Dieser Dialog solle kein amerikanisches Land ausschließen, verkündete der künftige Präsident.

Petro erinnerte in seiner Rede auch an alle Menschen, die aufgrund ihres sozialen Engagements getötet und Opfer von Verschwindenlassen geworden sind oder ins Gefängnis kamen. Der Wahlsieg gehöre auch ihnen. Er forderte dabei den Generalstaatsanwalt auf, "die Jugend freizulassen". Damit sind die Aktivist:innen gemeint, die wegen ihre Teilnahme an der Protestbewegung der letzten Jahre inhaftiert sind.

Progressive lateinamerikanische Ex-Präsidenten und Präsidenten gratulierten Petro kurz nach der Verkündung der Wahlergebnisse. "Freude für Lateinamerika! Wir werden uns gemeinsam für die Einheit unseres Kontinents einsetzen", twitterte etwa der chilenische Präsident Gabriel Boric. Boliviens früherer Staatschef Evo Morales gratulierte Petro und Márquez mit den Worten: "Es ist der Sieg des Friedens, der Wahrheit und der Würde".

Der brasilianische Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva feierte die Wahlergebnisse ebenso wie die Präsidenten von Mexiko, Kuba, Peru, Argentinien, Bolivien und Venezuela. Die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, beglückwünschte die kolumbianische Bevölkerung, "den sozialen Wandel" gewählt zu haben.

"Der Sieg von Gustavo Petro ist historisch“, twitterte Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador. Er erinnerte an die tausenden Toten nach dem Mord an dem fortschrittlichen Präsidentschaftskandidaten Jorge Eliécer Gaitán im Jahr 1948 und den Anfang der Gewalt in Kolumbien. "Der heutige Triumph kann das Ende dieses Fluchs und die Morgenröte für dieses brüderliche und würdige Volk sein. Herzlichen Glückwunsch".

Zurück zur Newsübersicht