El Salvador: Präsident lässt Menschenrechtsverbrechen des Militärs untersuchen
Von Edgardo Ayala — San Salvador – IPS
»Es ist bitter mitanzusehen, dass Kriminelle wie Helden behandelt werden«, sagt Dorila Márquez, die im Dezember 1981 ein Massaker der Streitkräfte El Salvadors in der Provinz Morazán überlebte. An drei Tagen wurden in El Mozote und anderen Dörfern im Osten des zentralamerikanischen Landes etwa 1.000 Männer, Frauen und Kinder umgebracht. 20 Jahre nach Kriegsende hofft sie nun auf Gerechtigkeit. In El Salvador hat die Regierung die Untersuchung der Menschenrechtsverbrechen während des Bürgerkriegs von1980 bis 1992 angekündigt.
Wie Präsident Mauricio Funes im letzten Monat bekanntgab, wird sich ein Militärausschuss mit der Geschichte der Armee befassen und zudem überprüfen, ob sie sich an das Friedensabkommen gehalten hat.
Der zwölfjährige bewaffnete Konflikt zwischen
Regierungstruppen und linken Rebellen kostete 70.000 Menschen das
Leben, weitere 8.000 ‘verschwanden’. Doch bisher wurden die
Verantwortlichen nie zur Rechenschaft gezogen.
Nach wie vor
betrachten die Armee und konservative Kreise die Offiziere, die im
Bürgerkrieg gegen die Rebellenbewegung Nationale
Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) kämpften, als Helden. Die FMLN
konstituierte sich nach Kriegsende als Partei. Ihr Kandidat Funes
wurde 2009 zum Staatsoberhaupt gewählt.
Staatliche Entschuldigung
Am 20. Jahrestag der Unterzeichnung des Friedensvertrags bat Funes Mitte Januar im Namen des Staates um Verzeihung für das Massaker in Morazán und anderen Teilen des Landes. Zugleich gab er die Bildung der Untersuchungskommission bekannt.
»Die Ankündigung des Präsidenten hat bei den Opfern und bei
Menschenrechtsgruppen für Genugtuung gesorgt«, meint Miguel
Montenegro von der Menschenrechtskommission El Salvadors
(CDHES). Jahrelang seien die Menschenrechtsverbrechen der Armee
vertuscht worden.
Politische Beobachter zweifeln allerdings
daran, dass die Initiative des Präsidenten einen Meinungswandel
bringen wird. »Die Militärs werden auch weiterhin als Helden verehrt
werden«, ist Jorge Juárez, der Direktor des Instituts für
historische, anthropologische und archäologische Studien an
der Universität von El Salvador, überzeugt. »Eine neue Sichtweise
lässt sich schließlich nicht per Dekret herbeiführen.«
Als einer dieser Helden wird der inzwischen verstorbene
Oberstleutnant Domingo Monterrosa betrachtet, der das
Atlacatl-Bataillon befehligte. Nach Erkenntnissen der von den
Vereinigten Nationen geförderten Wahrheitskommission hatte er den
Einsatz geleitet, der mit dem Massaker von El Mozote endete.
Monterrosa und mehrere seiner Offiziere kamen im Oktober 1984 ums
Leben, als die FMLN seinen Hubschrauber in die Luft sprengte. Der
Oberstleutnant hatte irrtümlich geglaubt, unter seinem Sitz befände
sich der Transmitter des Guerillasenders ‘Radio Venceremos’.
Stattdessen saß er auf einer Bombe, die per Fernbedienung zur
Detonation gebracht wurde.
‘Heldenverehrung’
Nach seinem Tod wurde der Oberstleutnant vom Parlament zum
‘Helden von Joateca’, dem Ort des Anschlags, ernannt. Eine
Infanteriebrigade mit Sitz in San Miguel im Osten des Landes trägt
seinen Namen. Zudem wurde er in Militärliedern besungen und durch die
Website ‘Monterrosa lebt’ verewigt.
Doch der Heldenkult ist
für die Überlebenden des Massakers nur schwerlich zu ertragen. »Ich
verstehe nicht, wie jemand, der so viele Tote auf dem Gewissen hat,
als Held bezeichnet werden kann«, meint Márquez, die durch das Blutbad
Angehörige und Freunde verloren hat. Die Armee habe sich selbst zum
Mythos, zum Retter des Landes vor dem Kommunismus, stilisiert, meint
der Wissenschaftler Juárez.
Carlos Cañas, ein Mitglied der Akademie für Militärgeschichte in El Salvador, kritisiert das Vorhaben der Regierung als »impertinent«. Funes setze bereits voraus, dass das Militär an Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen sei, obwohl es zu keiner Verurteilung gekommen sei. Er tue seinem Land nichts Gutes, gegen das Prinzip der Unschuldsvermutung zu verstoßen.
Links:
http://cdhes.org.sv/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100188
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106865
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Quelle: womblog