Text und Video: Den Klimawandel überleben

Klimabeobachtung in Esquipulas/Nicaragua - Foto: Tamara Sophia Kaschek

Ein Ausblick über die Selbstorganisation in Esquipulas, um den Klimawandel in Nicaragua zu überleben

(Der Beitrag enstand im Rahmen der Soli-Reise 2017 nach Nicaragua und El Salvador und wurde erstmals im Rundschreiben 2018 des Informationsbüros Nicaragua veröffentlicht)

In Nicaragua sind die Folgen des Klimawandels unübersehbar geworden. Die Klimawandelfolgen äußern sich unter anderem in dem veränderten Beginn der Regenzeit, mehr Trockenheit, vermehrtem Regen und der Verstärkung der Naturphänomene El Niño und La Niña, erklärt Sergio Saenz. Saenz ist Mitglied des Movimiento Comunal Nicaraguense (MCN) de Matagalpa und der Mesa Nacional Para la Gestión de Riesgo MNGR (Nationaler Tisch für Risikomanagement). Die große Abholzungsrate wirkt sich zusätzlich auf die klimatischen Bedingungen aus. Und trotzdem betreibt der Staat weiterhin Extraktivismus: Es wird auf den Anbau von Monokulturen gesetzt und auf die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. In verschiedenen Gebieten verfolgt die Landbevölkerung notgedrungen in Selbstorganisation andere Strategien. Die klimatischen Veränderungen zwingen sie, z.B. im Verwaltungsgebiet Esquipulas, sich an diese anzupassen. Die Zeitpunkte, zu denen die Kleinbäuer*innen die Saat ausbringen können, sind beispielsweise nicht mehr dieselben. Folge davon sind Ernteausfälle und Hunger. Ebenso ist eine Vorhersage des Regenzeitpunktes und der Niederschlagsmenge bzw. des Eintritts von Trockenheit nicht mehr wie zuvor möglich. Aufgrund der enorm erschwerten Lebensbedingungen, oder anders gesagt Überlebensbedingungen, haben sich viele für die oft ebenfalls lebensgefährliche Migration entschieden.

Um all diesen bedrohlichen Umständen zu begegnen, unterstützt das MCN die Landbevölkerung dabei, sich selbstorganisiert an den Klimawandel anzupassen, was für viele eigentlich bedeutet, diesen zu überleben. Es werden Notfallprogramme entwickelt zum Vorgehen im Falle von Katastrophen und lebensbedrohlichen Umweltbedingungen.

Erarbeitung der Potentiale

Zunächst werden die Potentiale analysiert, die die Dorfbevölkerung, Flora und Fauna aufweisen. Eingeteilt wird in natürliche Potentiale, menschliche Potentiale, soziale Potentiale, finanzielle Potentiale und physische Potentiale. Entwickelt werden daraus kurzfristige, mittelfristige und langfristige Pläne zum Überleben des und zur Anpassung an den Klimawandel. Ein Beispiel dafür ist die Ausarbeitung einer Risikokarte des Dorfes mit Evakuierungsplan und Sensibilisierung dafür, welche Stellen nicht für den Häuserbau geeignet sind. Notwendiges Wissen vermittelt das MCN bei Versammlungen in den Gemeindeverwaltungen in Form von Workshops, wie zur Durchführung von Bodenerhaltungsmaßnahmen. Dieses erworbene Wissen wird dann von den  Einzelpersonen aus den Dörfern, die an den Workshops in der Gemeindeverwaltung teilnehmen, an die restliche Dorfbevölkerung weitergegeben.

Monitoring

Um die Zeitpunkte der Aussaat vorhersagen zu können und somit der Ernährungsunsicherheit und dem unbeständigen Wetter durch den Klimawandel zu begegnen, gibt es ein Klimamonitoring der Bevölkerung unter Begleitung des MCN. An verschiedenen Orten des Verwaltungsgebietes Esquipulas wird z.B. mit Regenmessern die Niederschlagsmenge erfasst. Auf Basis der erhobenen Daten und in Kooperation mit der Umweltorganisation Centro Humbold, welches größere Mengen an Daten sammelt und auswertet, werden Vorhersagen für künftige Niederschläge gemacht. Teile der Bevölkerung übernehmen die Erfassung der Daten und stellen dem Dorf bei gemeinsamen Treffen die erhobenen Daten vor.

Althergebrachtes Wissen reaktivieren

Die Wiederentdeckung von althergebrachtem, bereits vorhandenem Wissen über die Anbaumethoden der Maya, sowie die Wiederimplementierung des Anbaus mit ursprünglichem Saatgut, wird dem von transnationalen Firmen wie Bayer ausbeuterisch vermarktetem genetisch verändertem Saatgut und Chemikalien entgegengesetzt. Mit diesen wird das Land bei dem Anbau in Monokulturen überschüttet und so weiterhin in großem Stil ausgebeutet. Die Wiederimplementierung des tradierten Wissens führt zu einer Stärkung der eigenen Würde.

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