Editorial

Im Jahr 2018 stand ein Ereignis für das Ökumenische Büro im Mittelpunkt: Der plötzliche Gewaltausbruch im April in Nicaragua war nicht nur schrecklich, sondern auch völlig unerwartet. Dass innerhalb weniger Monate mehrere hundert Menschen erschossen wurden, dass viele von ihnen nicht nur Opfer der Polizei waren, sondern dass diese von Paramilitärs unterstützt wurde, schien vor einem Jahr noch unvorstellbar.

Nicaragua

Aus Demonstrationen von Studierenden gegen eine Rentenreform im April entwickelte sich in Nicaragua in kürzester Zeit die schlimmste Krise seit vielen Jahren. Nach dem Scheitern eines Nationalen Dialogs im Mai, erstickte die Regierung Ortega die Massenproteste mit Polizei- und paramilitärischer Gewalt. Mit harter Repression gegen Anführer*innen (1) der Proteste, gegen kritische Medien und Nichtregierungsorganisationen stellte die Regierung die „Normalität“ wieder her. So sieht es die Regierung jedenfalls. Die wirtschaftlichen Folgen der Krise, wie das Schrumpfen der Gesamtwirtschaft mit seinen Folgen für die Bevölkerung, wachsende Arbeitslosigkeit und damit Armut, sind unübersehbar. Wir hoffen auf eine Wiederaufnahme des Nationalen Dialogs, diesmal mit echten Verhandlungen, bei denen alle Beteiligten wirklich die Zukunft des Landes im Auge haben. Uns ist in diesem schwierigen Augenblick die Zusammenarbeit mit unseren nicaraguanischen Partner*innen vom Movimiento Comunal Matagalpa eine große Hilfe und wir zeigen uns nach besten Kräften solidarisch an der Seite ihres Einsatzes für friedliche Konfliktlösungen auch auf lokaler Ebene.

Mexiko

2018 war für Mexiko ein wichtiges Wahljahr. Mit Andrés Manuel López Obrador (AMLO) wurde nach langer Zeit wieder ein Politiker zum Präsidenten gewählt, der nicht einer der konservativen Parteien angehört. Dies könnte einen politischen Richtungswechsel bedeuten. Im Wahlkampf hatte AMLO versprochen, gegen Korruption und Straflosigkeit vorzugehen. Seit Dezember 2018 ist er nun im Amt und es muss sich noch zeigen, ob er die Versprechungen umsetzen kann und wie sehr die Altlasten der Vorgängerregierungen ihn behindern werden. Wie Geschehnisse in Mexiko auch von Vorgängen in Deutschland abhängen, kann in dem Länderbericht Mexiko dieses Jahresberichtes nachgelesen werden, wo es um einen Strafprozess gegen Heckler&Koch in Stuttgart geht.

El Salvador

Auch in El Salvador ist im Jahr 2018 gewählt worden. Bei den Parlaments- und Bürgermeisterwahlen im März erlitt die FMLN schwere Verluste und die von ihr geführte Regierung hatte seither noch größere Schwierigkeiten, Mehrheiten im Parlament zu finden. Offensichtlich glaubt eine Mehrheit der Wähler*innen nicht, dass die FMLN-Regierung die dringendsten Probleme der Bevölkerung wie Kriminalität und schlechte wirtschaftliche Situation lösen kann. Der Ausgang der Wahlen hat auch bittere Auswirkungen auf die sozialen Bewegungen. Ihr Kampf für ein allgemeines Wassergesetz, für das sie sich seit mehr als zehn Jahren einsetzen, wird wohl erfolglos bleiben. Das neue Wassergesetz sollte die allgegenwärtigen Probleme bei der Wasserversorgung ein für alle Mal lösen. Mit den neuen Mehrheitsverhältnissen droht jetzt, dass die Rechte die (vermeintliche) Lösung der Probleme in einer Privatisierung der Wasserversorgung suchen wird. Gegenüber all diesen negativen Nachrichten, ragt ein positives Ereignis heraus. Dass Papst Franziskus im Oktober 2018 den im März 1980 ermordeten Erzbischof von El Salvador, Óscar Romero, heiliggesprochen hat, wurde von der Mehrheit der Menschen, die nicht mit den damaligen rechten Regierungen und den Militärs sympathisierten, mit großer Freude und Genugtuung aufgenommen. Für sie war Romero längst ein Heiliger.

Honduras

In Honduras wurden zweieinhalb Jahre nach dem Mord an Berta Cáceres in einem ersten Prozess sieben Männer wegen der Tat verurteilt. Der Prozess strotzte von abenteuerlichen Unregelmäßigkeiten. Am gravierendsten war die Mißachtung der Rechte der Opfer: Bertas Organisation COPINH wurde gar nicht als Nebenklägerin zugelassen, die Anwälte ihrer Familie dann später aus dem Prozess ausgeschlossen. Obwohl mehrere der Verurteilten enge Beziehungen zu den wahrscheinlichen Auftraggebern, dem Unternehmen DESA und dem Militär, hatten, ist ein Prozess gegen diese Hintermänner bisher nicht in Sicht.
Im Januar 2018 trat Präsident Juan Orlando Hernández trotz offensichtlichen Wahlbetrugs eine zweite Amtszeit an. Es wurde deutlicher denn je, dass sich Honduras seit dem zivil-militärischen Putsch 2009 immer mehr Richtung eines Narcostaates entwickelt hat. Korruption und Menschenrechtsverletzungen sind alltäglich und die Spuren lassen sich inzwischen bis in den obersten Machtzirkel um den Präsidenten verfolgen.
Dieser Hintergrund geht meist verloren, wenn bei uns in den Medien von Karawanen von Migrant*innen aus Zentralamerika in die USA berichtet wird. Er ist aber immer präsent in unseren Aktivitäten zu Honduras, wo es um Information und Advocacy zur Situation des Landes, Unterstützung verfolgter Journalist*innen, politischer Gefangener und der LGBT*Community, vor allem aber auch Recherchen zu kritikwürdigen Geschäftsbeziehungen hiesiger Unternehmen nach Honduras geht.

Kolumbien

Wie in Mexiko wurde 2018 auch in Kolumbien gewählt. Der neue Präsident Ivan Duque bedeutet aber, ganz anders als in Mexiko, keinen halbwegs hoffnungsvollen Ausblick in die Zukunft. Er gehört zur ultrakonservativen Partei Centro Democrático (Demokratische Mitte), die von dem rechtsradikalen ehemaligen Präsidenten Alvaro Uribe geführt wird. Das erklärte Ziel dieser politischen Gruppierung ist es, den Friedensprozess mit der FARC-Guerilla zu stoppen und gegenüber dem Nachbarland Venezuela einen harten Konfrontationskurs zu verfolgen. Es könnte sich ein klarer Schritt zurück in die Vergangenheit anbahnen, zurück zu konservativen Vorstellungen, hinter denen sich aber nur die wirtschaftlichen Interessen gewisser Gesellschaftsgruppen verbergen.
Es wird darum gehen, diese Interessen durchzusetzen und zwar mit allen Mitteln. Interessen aufzudecken, darum drehte es sich auch in der Kolumbienarbeit des Ökumenischen Büros. Deutlich wird dies bei den von uns erstellten Factsheets zu den Themen Friedensvereinbarung mit der FARC-Guerilla und der Bedeutung der Landfrage sowie zu der von Deutschland aus Kolumbien importierten Steinkohle. Eine gleiche Zielrichtung hatte die Arbeit unseres sehr aktiven AK Kolumbien, der für die Veranstaltungen des Büros sehr wichtig ist.

Aktivitäten des Ökumenischen Büros

Auf die verschiedenen Veranstaltungen des Büros wird in den Berichten zu den Ländern eingegangen. Auf zwei Aktivitäten sei hier noch einmal besonders hingewiesen. Zum einen auf den Partizipativen Kongress: Entwicklung oder nachhaltige Exklusion? - Freihandel in Zentralamerika, der als Wochenendseminar im Oktober 2018 in München stattfand. Der Kongress mit seinem länderübergreifenden Thema, mit Referent*innen aus vier lateinamerikanischen Ländern und aus Deutschland, fand in München und bundesweit reges Interesse. Zusammen mit dem neuen großen Wandbild am Auer Mühlbach und dem künstlerischen Sommerprogramm Festival de Arte Popular México-Alemania war er für uns der Höhepunkt des Jahres. Zum anderen haben wir 2018 die Zusammenarbeit mit Schulen weiter intensiviert. Die Besuche in Schulklassen mit Gästen aus Lateinamerika waren für Schüler*innen und Gäste immer ein eindrucksvolles Erlebnis. Herzlichen Dank auch an die engagierten Lehrer*innen!

Dank gebührt noch vielen weiteren. An erster Stelle danken wir den Hauptamtlichen ganz herzlich für ihren Einsatz. Das gilt auch für all die anderen, die auf unterschiedlichste Art zum Gelingen unserer Arbeit beigetragen haben: die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen, die Kooperationspartner*innen sowie unsere treuen und neuen Spender*innen.

Und schließlich möchten wir den Organisationen, die unsere Arbeit und unsere Projekte im Jahr 2018 finanziell unterstützt haben, herzlich danken. In alphabetischer Reihenfolge waren dies: Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst, Engagement Global, Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (fdcl), Katholischer Fonds, Kulturreferat der Landeshauptstadt München, Migrationsbeirat München, Misereor.

Allen, denen wir zu Dank verpflichtet sind und denen, die sich uns freundschaftlich verbunden fühlen, wünschen wir weiterhin ein erfolgreiches Jahr 2019.

(1) Anführer*innen: Der in diesem Jahresbericht verwendete * ist ein Mittel der sprachlichen Darstellung aller Geschlechter und Geschlechtsidentitäten, einschließlich jener abseits der gesellschaftlich vorherrschenden Vorstellung von Zweigeschlechtlichkeit.

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