Jahresbericht 2007:

Gegen Repression und Willkür, für starke soziale Bewegungen: Die Menschenrechtsarbeit des Ökumenischen Büros

Ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt im Ökumenischen Büro ist die Menschenrechtsarbeit. Wir halten engen Kontakt zu unseren Partnerorganisationen in unseren Schwerpunktländern und verfolgen die dortige politische Lage. Wenn unsere PartnerInnen es für notwendig halten, dann versuchen wir ihrer Arbeit und ihren Forderungen mittels Kampagnen, Eil- und Protestbriefaktionen, bezahlten Zeitungsanzeigen und Pressearbeit Nachdruck zu verleihen und ihnen damit den Rücken zu stärken. Dass diese Art von Arbeit wichtig ist, zeigt die Praxis der letzten Jahre in El Salvador und Mexiko, Proteste der organisierten Bevölkerung und von Sozial- und MenschenrechtsaktivistInnen mit Repression zu überziehen. Wir beobachten Versuche, soziale Bewegungen durch willkürliche Verhaftungen und fragwürdige Gesetzesanwendungen zu zerschlagen.

In Oaxaca, Mexico, wurden bei den Protesten gegen den Gouverneur Ulises Ruiz in den Jahren 2006 und 2007 Hunderte von AktivistInnen inhaftiert. Wenngleich es schwierig ist, an genaue Zahlen zu kommen, hat das »Comité 25 de Noviembre« (ein Komitee für die Freilassung der politischen Gefangen in Oaxaca) bis Anfang Dezember bereits 455 Fälle registriert. Um den politischen Hintergrund der Inhaftierungen zu vertuschen, erfindet die Staatsanwaltschaft Delikte. Oft werden falsche Zeugenaussagen zu Hilfe genommen. So wurde im Februar 2005 Alejandro Cruz Lopez zusammen mit Jaquelina Lopez Almazán und Samuel Hernádez, welche 2007 bei uns zu Gast waren, wegen angeblichen Raubes inhaftiert. Tatsächlich aber hatten die drei zusammen mit Mitgliedern der Organisationen des Bündnisses COMPA gegen den damals neuen Governeur von Oaxaca, Ulises Ruíz protestiert. Die Taktik der Behörden in diesem Konflikt war - scheinbar wahllos - möglichst viele Menschen zu verhaften. Dadurch wurde Angst in der Bevölkerung erzeugt und führte schließlich zum beabsichtigten Effekt: der Demobilisierung der Proteste. Ein weiteres Resultat dieser Repressionswelle war, dass die Organisationen nicht mehr ihren ursprünglichen Zielen nachgehen konnten, sondern viel Zeit und Kapazitäten in den Kampf um die Freilassung der Inhaftierten investieren mussten. Oft sahen sie sich auch vor die Frage gestellt, wie sie für die Prozesskosten, die ihre Ressourcen weit überstiegen, aufkommen sollten.

Von diesem Vorgehen war auch ein ehemaliger ehrenamtlicher Mitarbeiter des Ökumenischen Büros, Felipe Sanchez, betroffen. Er wurde am Rande einer Demonstration verhaftet, an der er nicht beteiligt war. Nicht nur aufgrund unseres persönlichen Bezugs starteten wir für ihn eine Solidaritätskampagne, die zu seiner Freilassung beitrug.

Hohe Haftstrafen sollen die abschreckende Wirkung der politischen Repression noch verstärken. So werden einzelne AktivistInnen zu übermäßig hohen Strafen verurteilt. Ignacio del Valle Medina, Felipe Alvarez Hernández und Héctor Galindo Gochicua von der »Frente de Pueblos en Defensa de la Tierra « aus San Salvador Atenco zum Beispiel wurden zu je 67 Jahren Haft verurteilt. In ganz Mexiko gibt es viele ähnliche Fälle.

Wir unterstützen die sozialen Bewegungen und unsere PartnerInnen in Mexiko mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Wir sind Mitglied in der Mexiko-Menschenrechts-Koordination, wo Aktivitäten zu diesen Fällen bundesweit koordiniert werden und organisierten immer wieder Eil- und Protestbriefaktionen nach Mexiko. Angesichts der Tatsache, dass die Inhaftierung von AktivistInnen ein zentraler Bestandteil der Repression ist, initiierten wir mit Unterstützung von inWEnt die Kampagne »Salgan pa´fuera, wir brauchen euch draußen«. Durch diese Kampagne haben wir ein Netzwerk aufgebaut, das sich hier mit der Thematik der politischen Gefangenen in Mexiko auseinandersetzt.

Auch in El Salvador ist insbesondere seit Mitte 2006 eine Zuspitzung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu beobachten. Diese nahm ihren Anfang mit der aller Wahrscheinlichkeit nach von den Behörden selbst inszenierten Eskalation einer Demonstration im Juli 2006, bei der zwei PolizistInnen erschossen wurden. Wenngleich viel dafür spricht, dass es die Scharfschützen der Polizei selbst waren, so nutzte die Rechte die Gelegenheit, die linke Partei FMLN dafür verantwortlich zu machen und die Repression gegen die sozialen Bewegungen zu erhöhen. Zwei Monate später verabschiedete die rechte Parlamentsmehrheit ein »Anti-Terrorismus-Gesetz«, das eine permanente Ausnahmesituation in El Salvador schafft und de facto der Bevölkerung das Recht nimmt, gegen Verletzungen ihrer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rechte zu protestieren. Hohe Haftstrafen stehen auf den Straftatbestand Terrorismus, der aber im Gesetz inhaltlich nicht gefüllt wird. Dennoch kam das Gesetz schon mehrfach zum Einsatz, und zwar gegen Bewegungen und Organisationen, die sich nicht mit einer Regierungspolitik abfinden, die ihre Rechte und Anliegen missachtet. So wurde gegen 97 StraßenverkäuferInnen unlizenzierter CDs und DVDs Haftbefehl erlassen, Sie mobilisieren gegen das Freihandelsabkommen CAFTA, weil die darin enthaltenen Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums ihre Existenz bedrohen. Erst nachdem eine breite Öffentlichkeit gegen diese Maßnahmen protestierte, wurden die Haftbefehle fallengelassen. Dennoch mussten die 30 Verhafteten vier Monate in Untersuchungshaft bleiben und wurden danach unter Auflagen vorläufig auf freien Fuß gesetzt. Sie müssen aber nach wie vor mit einem Verfahren wegen des Terrorismusvorwurfs rechnen. Ähnlich gelagert ist der Fall der 14 willkürlichen Inhaftierungen in Suchitoto Anfang Juli 2007. Der Vorfall löste enorme nationale und internationale Proteste aus, an denen sich das Ökumenische Büro mit einer bundesweiten Kampagne beteiligte. Auch sie kamen daraufhin gegen Auflagen wieder frei.

Im Falle El Salvadors organisierten wir Eil- und Protestbriefaktionen sowie bezahlte Zeitungsanzeigen in der Tagespresse. Außerdem luden wir einen Aktivisten aus der Bewegung der StraßenverkäuferInnen ein, um hier eine Informationsrundreise zu machen. Damit konnte eine breitere Öffentlichkeit über die Thematik informiert werden und gab dem Referenten Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und solidarische Unterstützung für seine Bewegung zu gewinnen.

Nicaragua, das ärmste Land Zentralamerikas, erfreute sich lange Zeit einer vergleichsweise entspannten Menschenrechtssituation. Zwar gab es neben großer Armut auch eine erschreckende Zunahme der Ungleichheit, aber Menschenrechtsverletzungen seitens repressiver Staatsorgane oder paramilitärischer Organisationen blieben weitgehend aus. Soziale Bewegungen und NGOs konnten ungehindert politisch Stellung beziehen. Mit der Machtübernahme der Regierung Ortega beginnt den unabhängigen Organisationen und Bewegungen ein schärferer Wind ins Gesicht zu wehen: Sie werden verallgemeinernd als »Feinde des Volkes« oder »Agenten des US-Imperialismus« bezeichnet, von einer Regierung, die sich in einem absurden Populismus selbst als einzig legitime Volksvertretung begreift. Konkrete Maßnahmen, die von staatlicher Willkür zeugen, bekam nun die in Nicaragua gut organisierte Frauenbewegung zu spüren: Im Dezember wurden 9 ihrer führenden Mitglieder unter eine sehr zweifelhafte Anklage gestellt. Gemäß unserem Anspruch, die Spielräume unabhängiger politischer Organisationen in unseren Schwerpunktländern durch Solidaritätsarbeit von hier aus zu erweitern, unterstützten wir die Angeklagten mit einer Protestbriefaktion.

In Guatemala, wo auch nach den Friedensverträgen von 1996 politische Morde an der Tagesordnung sind, ist bereits das Einstehen für Menschenrechte lebensgefährlich. Durch kontinuierliche Protestbrief-Aktionen versuchen wir dem entgegenzuwirken.


 

(as)
Gegen Repression und Willkür, für starke soziale Bewegungen: Die Menschenrechtsarbeit des Ökumenischen Büros
Erschienen im Jahresbericht 2007 des Ökumeninschen Büros
München
Dezember 2007

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