Freihandel in Mittelamerika - (k)ein Modell für eine Nachhaltige Entwicklung

Die Region Zentralamerika ist über zahlreiche Handelsabkommen in die globalisierte Wirtschaft und Wertschöpfungsketten eingebunden. Am bedeutendsten sind dabei das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten CAFTA-DR sowie das AdA (Acuerdo de Asociación entre Centroamérica y la Unión Europea - Assoziierungsabkommen zwischen Zentralamerika und der Europäischen Union)

 Das 2006 in Kraft getretene CAFTA-DR umfasst neben den USA die Staaten Honduras, El Salvador, Guatemala, Nicaragua, seit 2007 die Dominikanische Republik und seit 2009 Costa Rica. Das Assoziierungsabkommen regelt seit 2013 die wirtschaftlichen Beziehungen der EU mit Zentralamerika einschließlich Panama, jedoch nicht mit der Dominikanischen Republik.

Bei CAFTA-DR wurden die Verhandlungen der USA mit den jeweiligen Staaten bilateral geführt. Das AdA hingegen ist ein Abkommen zwischen Regionen. Beide Vertragswerke zielen darauf ab, Zölle für den Handel mit Waren und Dienstleistungen abzubauen, den Schutz geistigen Eigentums zu garantieren sowie ausländischen Investoren umfassenden Zugang zu lokalen Märkten und Ressourcen zu gewährleisten. So dürfen bei Ausschreibungen einheimische Firmen nicht gegenüber ausländischen bzw. transnationalen Unternehmen bevorzugt werden. Daneben existieren Mechanismen, die Unternehmen ermöglichen, Staaten zu verklagen bzw. zu sanktionieren, falls ihre Rechte als Investoren eingeschränkt würden.

Programm für nachhaltige Entwicklung?

Während sich CAFTA-DR ausschließlich auf Wirtschaftsfragen beschränkt, beinhaltet das AdA zusätzlich die Komponenten des politischen Dialoges (in Bereichen wie z.B. Abrüstung, Kampf gegen Verbrechen und Terrorismus, Umwelt und Gute Regierungsführung) sowie der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei sind diese beiden letzten Komponenten in den Verträgen weit weniger konkret gefasst als der wirtschaftliche Teil und stellen auch im Umfang nur einen Bruchteil der insgesamt vereinbarten Regeln dar.

Die Europäische Kommission lobt das Assoziierungsabkommen in einer Pressemeldung als einen Vertrag für nachhaltige Entwicklung, weil dadurch Wirtschaftswachstum und Armutsreduzierung erreicht sowie Umweltschutz und Schutz von Arbeitsrechten verbessert würden.Um die tatsächlichen Auswirkungen dieser Vertragswerke für Zentralamerika bewerten zu können, ist es wichtig zu verstehen, dass die den Abkommen zugrunde liegenden Bausteine Teil eines wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationsprozesses sind, welcher in Zentralamerika seit den 80er Jahren Einzug hält.

Gescheiterte Importsubstitution

Seit den 1930er Jahren war ein Modell vorherrschend, welches auf den Export traditioneller landwirtschaftlicher Produkte wie Kaffee und Bananen setzte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Produkte Baumwolle, Zucker und Rindfleisch hinzu. Bezogen auf die Industrialisierung wurde seit 1960 mit dem Gemeinsamen Zentralamerikanischen Markt (CACM) ein Konzept der nach innen gerichteten Entwicklung (importsubstituierende Industrialisierung) verfolgt. Der regionale Markt wurde durch hohe Zollschranken nach außen abgeschottet.

Wichtig zu erwähnen ist, dass auch dieses Modell niemals frei von inneren Widersprüchen war und sich vornehmlich an den Interessen der im Land herrschenden Eliten orientierte. Dabei blieb die Region weiterhin abhängig von Lebensmittelimporten, während die Löhne gering und die Entwicklung eines einheimischen Markes begrenzt war.

Besonders anfällig war dieses Modell aufgrund der unsicheren Exportmärkte für landwirtschaftliche Produkte, während ökonomische Schocks in den 1970er Jahren sowie die Inflation zur Verteuerung wichtiger Importe und zur Schuldenkrise der 1980er Jahre führten. Soziale Konflikte verschärften sich aufgrund sinkender Löhne, dem erschwerten Zugang zu Land und damit einhergehend mit der Verteuerung von Grundnahrungsmitteln. In Guatemala (1960-1996), Nicaragua (1978/79) und El Salvador (1979-92) führten die Widersprüche dieses Systems und dem damit verbundenen Macht- und Ungleichheitsgefälle zu teils lang anhaltenden und blutigen Bürgerkriegen.

Neoliberale Wende seit Ende der 80er Jahre

Der Zusammenbruch und die Krise dieses Wirtschaftsmodells gaben Raum für eine neue neoliberale Politik, deren Ziele und Strategien zum ersten Mal 1984 im Bericht der Kissinger Kommission der US-Administration formuliert wurden. Dieser neue Ansatz basierte auf dem Etablieren neuer Exportprodukte, welche durch Handelsliberalisierungen, Privatisierungen und Deregulierung ermöglicht werden sollten. Hinzu kamen Investitionen im Bereich des Extraktivismus (Energie, Bergbau und Biomasse).

Als neues Exportprodukt wurde nun auch ein Sektor der verarbeitenden Industrie (Maquiladoras) etabliert. Dieser war und ist nun in die globalen Produktions- und Absatzketten transnationaler Konzerne eingebettet. Dabei wurde der Export von Textilien in die USA dadurch möglich, dass im Rahmen von Abkommen der Caribbean Basin Initiative die Vereinigten Staaten ihren Markt für diese Produkte aus Zentralamerika öffneten. Problematisch an diesem Sektor ist jedoch die enorme Konkurrenzsituation mit anderen Staaten. Zentralamerika als Produktionsstandort ist vor allen Dingen aufgrund des geringen Lohnniveaus im Bereich der Industrieproduktion interessant. Lediglich Costa Rica hat es geschafft, sich im Bereich der Produktion von Elektronikartikeln in einer komfortableren Situation zu positionieren.

Zum Zweiten wurde die Landwirtschaft dahingehend umstrukturiert, dass die oben bereits erwähnten traditionellen Erzeugnisse in ihrer Bedeutung abnehmen. Stattdessen versucht sich der Agrarsektor an den neuen Konsumwünschen der verschiedenen Exportmärkte zu orientieren. Es werden nun verstärkt Produkte wie Saisonfrüchte, Gemüse, Schnittblumen oder Zierpflanzen angebaut bzw. landwirtschaftliche Grundprodukte wie Zucker, Soja oder Palmöl zu Agrosprit verarbeitet und exportiert.

Wichtig ist in diesen Zusammenhang zu verstehen, dass diese „neuen“ landwirtschaftlichen Erzeugnisse mehr Technologie, Standardisierung der Produktion und damit eine verstärkte Finanzierung von Investoren benötigen. Verbunden mit diesem Prozess ist die Vervielfachung des Einsatzes chemischer Düngemittel und Pestizide. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit einer intensiveren Nutzung von Land, was den Druck auf die Flächen der kleinbäuerlichen Subsistenzwirtschaft bzw. die letzten verbleibenden Regenwaldgebiete weiter erhöht.

Ermöglicht wurde diese Transformation einerseits durch die verschiedenen Akteure im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Gleichzeitig bezogen die verschuldeten Staaten der Region Kredite des Internationalen Währungsfonds. Diese waren jedoch an die Durchführung sogenannter Strukturanpassungsmaßnahmen gekoppelt. So mussten neben den bereits erwähnten Liberalisierungen in der Wirtschaftspolitik Staatsbetriebe privatisiert, Steuern für Unternehmen gesenkt sowie die Staatsausgaben reduziert werden. Folgen waren Massenentlassungen sowie Verschlechterungen im Bereich des Gesundheits- und Bildungswesens.

All diese Maßnahmen, welche seit Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er Jahre Einzug hielten, stehen in Abhängigkeit zu getroffenen Abkommen zwischen Staaten bzw. Regionen untereinander.

Das bereits erwähnte Freihandelsabkommen CAFTA-DR stellt insofern eine Erweiterung dar, als die zuvor lediglich auf Sektoren begrenzte Handelsliberalisierung nun fast auf alle legalen Wirtschaftsbereiche stufenweise ausgeweitet wurde. Mit dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Zentralamerika versucht nun auch Europa besagte Region für die eigenen Unternehmen zugänglich zu machen.

Seit den 1990er Jahren gelang es durch dieses Modell, den Warenexport der zentralamerikanischen Staaten deutlich zu steigern, was zu Wachstumsraten der Wirtschaft zwischen 2 und 7 Prozent führte (Ausnahme bildete das Jahr 2009, nach der weltweiten Finanzkrise).

Alte und neue Konflikte

Intern verschärften sich jedoch die Verteilungskonflikte zwischen den unterschiedlichen sozialen Klassen. So war die Bevölkerung zunächst von den Kürzungen bei Löhnen und Sozialleistungen sowie durch Massenentlassungen im Zuge der oben erwähnten Strukturanpassungsmaßnahmen betroffen. Zugleich begünstigen die nicht traditionellen landwirtschaftlichen Produkte einseitig die großen Plantagen, während Kleinbauern mehr und mehr von ihren Ländern verdrängt werden, auch weil günstigere Grundnahrungsmittel aus den USA nun verstärkt in den zentralamerikanischen Markt eindringen.

Den Kleinbauern bleibt als Alternative meist nur die Lohnarbeit auf dem Land sowie in den aufstrebenden Fabriken der Freihandelszonen. Allerdings sind die dort gezahlten Löhne in den meisten Fällen nicht existenzsichernd und die Arbeitsbedingungen prekär.

Die daraus resultierende Situation wird nun dadurch verschärft, dass aufgrund der bestehenden Asymmetrien zwischen Zentralamerika und den USA bzw. Europa die Handelsbilanz der Region negativ ist. Das heißt die Region importiert jedes Jahr mehr Waren als ausgeführt werden. Die Folge davon ist ein stetiger Transfer von Werten in die Länder des Nordens. Diesen Abfluss versuchen die Regierungen teilweise durch das Anlocken von Touristen bzw. durch ausländische Investitionen vor allem in den extraktivistischen Wirtschaftsbereichen auszugleichen. Problematisch dabei ist jedoch, dass die massiven Projekte im Bereich der Energiegewinnung (z.B. Wasserkraft) des Bergbaus oder der Monokulturen (z.B. Zuckerrohr, Palmöl) in vielen Fällen die Lebensgrundlagen der dortigen Bevölkerung zerstören, was zu einer Vervielfachung von sozialen Protesten und Repression geführt hat. Immer häufiger werden Aktivist*innen in ermordet, wenn diese für die Rechte der lokalen Bevölkerung eintreten.

Gleichzeitig wird es für die betroffenen Staaten immer schwieriger, konfliktreiche Projekte zu unterbinden. So haben die Unternehmen durch die mittlerweile üblichen Klauseln im Bereich des Investitionsschutzes die Möglichkeit, Staaten zu verklagen, sollten diese bereits zugesagte Projekte wieder aufkündigen.

Anstatt eines nachhaltigen Wirtschaftsmodells lässt sich eine Situation beobachten, welche dazu beiträgt, das ohnehin fragile soziale und politische Gewebe in der Region weiter zu destabilisieren. Aufgrund fehlender Lebensperspektiven in den jeweiligen Ländern verlässt eine immer größer werdende Zahl von Menschen die Region, um Arbeit woanders - meist in den USA - zu suchen. Dabei tragen die Gelder, die diese Migranten in ihre Heimat überweisen, entscheidend zur Stabilisierung der Wirtschaft in Zentralamerika bei. Allein in El Salvador betrugen laut Informationen der dortigen Regierung die sogenannten Remesas im Jahre 2016 4,5 Mrd. Dollar, was rund 17% der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes sind.

Experten werfen in diesem Zusammenhang die Frage auf, inwiefern ein Wirtschaftsmodell, welches Menschen aus ihrer Heimat verstößt, deren Arbeit in andere Länder exportiert und dann abhängig von ausländischen Devisen ist, als nachhaltig bezeichnet werden kann.

Neue Wege in die Zukunft

Lokal, regional und international existieren verschiedene Ansätze, diese problematische Situation zu verbessern. So versuchen mehr und mehr Basisbewegungen unter dem Stichwort Verteidigung des Territoriums die Umwelt und damit ihren sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen (Über-)Lebensbereich vor zerstörerischen Großprojekten zu schützen. Dabei gelingt es immer wieder, solche Vorhaben zu stoppen, wie z. B. im Falle einer geplanten Goldmine in Rancho Grande in Nicaragua oder des geplanten Wasserkraftwerks Agua Zarca in Honduras. Allerdings zahlen die Gemeinden durch die oftmals brutale Repression des Staates und der beteiligten Unternehmen einen hohen Preis. Die ermordete Umweltaktivistin Berta Cáceres steht als ein Beispiel für hunderte ermordete Aktivist*innen in der Region in den letzten Jahren.

In El Salvador hingegen hat sich eine Bewegung formiert, die es geschafft hat, ein Gesetz voranzubringen, welches den metallischen Bergbau im gesamten Land untersagt. Auch dort kamen Aktivist*innen im Zusammenhang mit einer geplanten Goldmine in der Region Cabañas ums Leben.

Auf internationaler Ebene wird auf Initiative von Ecuador und Südafrika derzeit im Rahmen des UN-Menschrenrechtsrates an einem verbindlichen Abkommen gearbeitet, welches transnationale Unternehmen sowie Finanziers von Großprojekten verpflichtet, darauf zu achten, dass keine Menschenrechte verletzt werden. Bei Verstößen solle dann die Möglichkeit bestehen, betreffende Unternehmen sowie deren Verantwortliche strafrechtlich zu belangen. Die Initiative Stop Corporate Impunity (Stoppt die Straffreiheit für Unternehmen) zielt darauf ab, ein derzeitiges Ungleichgewicht im Rahmen der internationalen Rechtssprechung etwas auszugleichen. Denn während es Unternehmen im Rahmen des sogenannten Investitionsschutzes möglich ist, gesamte Staaten zu verklagen, gibt es derzeit nur wenig Handhabe, transnationale Konzerne für Verstöße oder für die Komplizenschaft bei Verbrechen gegen Menschenrechte effektiv zu belangen. Wann und ob ein solches Abkommen in Kraft treten kann, ist weiterhin unklar. Zunächst muss sich der Menschenrechtsrat mit 47 Ländern darauf einigen. Deutschland stellt sich bisher gegen ein solches Abkommen.

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