Warum in Honduras eine neue Allianz um Zugang zu Wasser kämpft

Von Bergbau und Wasserkraftprojekten betroffene Gemeinden leiden unter vielfältigen ökologischen Schäden und der Verschmutzung ihres Trinkwassers

Von Andrea Lammers
amerika21

Tegucigalpa. In Honduras haben sich 17 Organisationen zu einer landesweiten "Front zur Verteidigung des Wassers" zusammengeschlossen, um gemeinsam mit Gruppen aus dem Nachbarland El Salvador den Widerstand gegen die zunehmende Privatisierung und die Verschmutzung natürlicher Wasservorkommen zu organisieren. In der vergangenen Woche hatten sich dafür in der Autonomen Universität von Honduras Aktivisten aus Regionen getroffen, die von Bergbau- und Wasserkraftprojekten betroffenen sind. Ziel war ein Austausch über die lokalen Probleme und eine Bündelung der Kräfte im Kampf gegen den Ausverkauf von Flüssen, Wäldern und Schutzgebieten.

Derzeit bestehen in Honduras Konzessionen für 371 Minen und 120 Wasserkraftprojekte, berichtete der Koordinator des Gemeindekomitees zum Schutz der öffentlichen Güter aus Tocoa, Juan López. Die betroffenen Gemeinden litten unter zahlreichen Umweltschäden, vor allem aber unter der Verschmutzung ihres Trinkwassers.

Die Folgen ungebremster Ausbeutung der Gemeingüter treffen aber nicht nur sie allein: Die Delegierten aus den überwiegend ländlichen Gegenden wollten mit ihrem Treffen ausdrücklich auch ein Zeichen für die Hauptstadt Tegucigalpa setzen, die unter akutem Wassermangel und weiteren Folgen des Klimawandels leidet. Nichtsdestotrotz soll im stadtnahen Nationalpark La Tigra, einem wichtigen Biotop und Wassereinzugsgebiet, ein neues Stadtviertel mit 2.500 Einfamilienhäusern und Villen gebaut werden ‒ und der Widerstand dagegen wird gewaltsam niedergeschlagen

Die Repression gegen alle Versuche, Wasser und Umwelt zu schützen, war dann auch das Hauptthema des Treffens: Die Versammelten baten nachdrücklich um internationale Solidarität für ihre Anliegen und ganz besonders für die kriminalisierten Gemeinde- und Umweltaktivisten der Ortschaft Guapinol in der Gemeinde Tocoa des Departamento Colón.

Dort wurden nach einer umstrittenen Abstimmung im Kongress zwei Konzessionen für Eisenerztagebauprojekte im Nationalpark Montana de Botaderos Carlos Escaleros vergeben. Sie gehören inzwischen dem Unternehmen Los Pinares des mächtigen Unternehmerpaares Lenir Pérez und Ana Facussé. Die Tagebauvorhaben bedrohen das Wassereinzugsgebiet der Flüsse Guapinol und San Pedro. Betroffene Gemeindebewohner, die ihr Trinkwasser aus diesen Flüssen beziehen, versuchten deshalb seit 2015, juristisch gegen die Genehmigungen vorzugehen. Als das nicht fruchtete, errichteten sie ein Protestcamp an der Zufahrtsstraße. Im September 2018 erschossen private Wachmänner des Unternehmens Los Pinares dort einen jungen Mann vor den Augen Dutzender Zeugen. Die Protestierenden hielten den Chef der Sicherheitsfirma fest, bis die Polizei kam.

Deswegen und wegen eines angeblichen Brandanschlags auf einen LKW und Container, wurden sie später selbst angezeigt. Nachdem Anfang 2019 das Verfahren gegen eine Gruppe von Protestierenden wegen Mangels an Beweisen eingestellt wurde, stellten sich weitere sieben Camp-Mitglieder einige Monate später freiwillig der Justiz. Für sie hatte das erhebliche Folgen: Seit dem 1. September sitzen sie in Untersuchungshaft, anfangs sogar im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis "La Tolva". In der vergangenen Woche hätte ein Berufungsgericht über die Freilassung der sieben Beschuldigten entscheiden müssen, die Richter blieben jedoch untätig. Stattdessen wurde Anklage wegen Sachbeschädigung und widerrechtlicher Aneignung von Staats- und Privateigentum gegen einen weiteren Aktivisten aus Guapinol, den 64-jährigen Jeremías Martínez, erhoben. Er sitzt bereits seit 14 Monaten im Gefängnis.

Das Center for Justice and International Law (CEJIL) veröffentlichte am 27. Februar 2020 ein Rechtsgutachten, in dem es heißt, dass im Fall der acht Inhaftierten aus Guapinol Garantien eines rechtsstaatlichen Verfahrens verletzt wurden und die Untersuchungshaft willkürlich sowie ohne ausreichende Begründung verhängt wurde. Sie stütze sich unter anderem auf telefonisch geäußerte Anschuldigungen, die niemals vor Ort überprüft worden seien. CEJIL und zahlreiche weitere Organisationen fordern die sofortige Freilassung der Gefangenen. Der Fall Guapinol gilt als Präzedenzfall für den unrechtmäßigen Einsatz von Untersuchungshaft, um Menschenrechtsverteidiger und Umweltschützer in Honduras mundtot zu machen.

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