Honduras: Bruchlandung für die Menschenrechte

Flughafen München arbeitet weiter mit einem zweifelhaften honduranischen Unternehmer zusammen. Kriminalisierten honduranischen Umweltschützern drohen bis zu 30 Jahre Haft. Medien in El Salvador thematisieren Millionen-Wahlkampfspende an Präsident Bukele vor dem Vertrag für den Ausbau des Cargo-Terminals.

Am 24. November 2021 sollte ein erster Linienflug auf dem neuen Palmerola International Airport im zentralamerikanischen Honduras landen. Möglich wurde der Bau und Betrieb des Flughafens durch das Engagement der Münchner Flughafengesellschaft mit ihrem Tochterunternehmen MIA, das dem honduranischen Partner EMCO/PIA unentbehrliches Know How und Kontakte zur Verfügung stellt.

Die Eigentümer*innen von EMCO/PIA Lenir Pérez und Ana Facussè sind in Honduras mehr als umstritten. 2013 war Lenir Pérez gemäß glaubwürdigen Zeug*innenaussagen unter anderem in die Bedrohung und Einschüchterung internationaler Menschenrechtsbeobachter*innen verwickelt. Der Schweizer und die Französin wurden durch eine Gruppe bewaffneter Männer in ein Waldgebiet verschleppt. Sie begleiteten eine Gemeinde, die gegen eine Eisenerzmine des Unternehmers protestierte.

Kriminalisierung von Umweltschützern – UN-Arbeitsgruppe fordert Freilassung

Protest vor dem Gerichtsgebäude in Tocoa
Protest vor dem Gerichtsgebäude in Tocoa, Quelle: @hondurassol

Nun ist Pérez Nebenkläger in einem Prozess, der jeglichen rechtsstaatlichen Standards Hohn spricht. Es geht wieder um Eisenerztagebau. Acht Umweltaktivisten aus dem Dorf Guapinol im Nordwesten von Honduras und einigen Nachbargemeinden hatten gemeinsam mit hunderten weiterer Dorfbewohner*innen gegen zwei Minen protestiert, die Pérez/Facussé inmitten eines Wasserschutzgebietes im Nationalpark Carlos Escaleras plante. Seit über zwei Jahren sitzen die Männer nun in Untersuchungshaft. Zu Unrecht wie die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen gegen willkürliche Verhaftungen im November 2020 feststellte und im Februar 2021 öffentlich machte:

„Die Arbeitsgruppe ist der Auffassung, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles die angemessene Abhilfemaßnahme darin bestünde, die acht Verteidiger unverzüglich freizulassen und ihnen das effektive Recht zu gewähren, sowohl eine Entschädigung als auch die notwendige Wiedergutmachung für die Verletzung ihrer Rechte im Einklang mit internationalem Recht zu erhalten.“

Die honduranische Justiz ficht das genauso wenig an, wie die Bemühungen von 39 Abgeordneten des Europaparlamentes die Inhaftierten freizubekommen und ein rechtsstaatliches Verfahren zu erreichen. Unbeirrt verfolgt die Staatsanwaltschaft gemeinsam mit Nebenkläger Pérez und seinem Bergbauunternehmen Inversiones Los Pinares die acht Männer weiter.

Am 1. Dezember 2021 soll nun die Hauptverhandlung gegen sie beginnen. Ihnen drohen bis zu 30 Jahren Haft u.a. wegen angeblicher schwerer Brandstiftung und Freiheitsberaubung. Beweise und eine individuelle

Zuordnung der Straftaten haben Staatsanwaltschaft und Nebenklage dafür nicht vorgelegt, wie ein Rechtsgutachten (amicus curiae) internationaler Fachorganisationen kürzlich feststellte. Die Anwält*innen der Umweltaktivisten fürchten, dass im bevorstehenden Prozess rechtsstaatliche Grundsätze vollständig über Bord geworfen und einfach ein Exempel zugunsten von Pérez/Facussé statuiert werden soll.

Eisenerztagebau verseucht Trinkwasser

Früher kristallklar, nun verschmutzt, der Fluss San Pedro diente mehreren tausend Anwohnern als Wasserquelle
Früher kristallklar, nun verschmutzt, der Fluss San Pedro diente mehreren tausend Anwohnern als Wasserquelle. Bild: Comité Municipal de Defensa de los Bienes Comunes y Públicos (CMDBCP)

Vor Ort ist indes genau das eingetreten, wovor die Umweltschützer gewarnt haben: Ihr Trinkwasser, das sie aus den Flüssen San Pedro und Guapinol beziehen, wurde mit den Bauarbeiten und dem Beginn des Erzabbaus stark verschmutzt und ungenießbar. In der dritten Novemberwoche fand eine Inspektion durch die Umweltstaatsanwaltschaft (FEMA) statt, die feststellte, dass das Unternehmen zerkleinerte Steinabfälle im Quellgebiet der Flüsse abkippt, wodurch die Kontaminierung entsteht.

Im Dorf Guapinol (Ortsteil La Ceibita) entsteht unter der Regie von Pérez/Facussés Unternehmen Ecotek eine riesige Eisenerzpelletieranlage, nach eigener Aussage die größte in ganz Zentralamerika. Bewohner*innen des Ortes klagen über den extremen Lärm, den die Anlage verursacht, und Risse in ihren Häusern durch die Vibrationen. Ihre Kritik ist riskant. Allen voran die Familienmitglieder der Inhaftierten berichten von einem permanenten Klima der Einschüchterung und Angst.

NGO haben dokumentiert, dass der Bau der Eisenerzminen in Wasserschutzgebiet inmitten eines Nationalparks nur durch die Irreführung von Kongressabgeordneten und eine illegale Veränderung von Naturschutzvorschriften möglich wurde. Auch die Erlangung der Bergbau-Lizenzen geschah auf zweifelhaften Wegen, Umweltgenehmigungen wurden irregulär erteilt. Eine Bürgerinitiative aus der benachbarten Kreisstadt Tocoa konnte aufdecken, dass dafür Unterschriften einer Gemeindeversammlung gefälscht wurden. Alle Anzeigen gegen diese Machenschaften verliefen bisher im Sande.

Gleichzeitig bleibt Honduras laut Global Witness eines der weltweit gefährlichsten Länder der für Menschenrechts- und Umweltverteidiger*innen mit einer der weltweit höchsten Mordraten und hoher Straflosigkeit.

Bayerische Staatsregierung: „Keine Kenntnis – Vorwürfe nicht bestätigt“

Für die Bayerische Staatsregierung als Mehrheitseignerin der Münchner Flughafengesellschaft (26 Prozent gehören der Bundesrepublik Deutschland, 23 Prozent der Stadt München) sind diese Umstände und die Zusammenarbeit mit Lenir Pérez kein Problem.

Im Juni 2018 antwortete die Bayerische Staatsregierung auf eine parlamentarische Anfrage, die Münchner Flughafengesellschaft habe keine Kenntnis von Vorwürfen gegen Pérez wegen Menschenrechtsverletzungen. Und auf eine neuerliche Anfrage im Oktober 2020: „Die MAI hat mitgeteilt, dass die detaillierte Analyse der externen Rechtsanwaltskanzlei die geäußerten Vorwürfe nicht bestätigt hat.“ Auch die Bedenken des honduranischen Antikorruptionsrates, der 2020 eine Studie zur Konzessionsvergabe für Palmerola International Airport veröffentlich hatte, hielt man im bayerischen Finanzministerium für nicht stichhaltig.

Millionenspende für Wahlkampagne in El Salvador

Die Zusammenarbeit des Münchner Flughafens mit Pérez beschränkt sich längst nicht mehr auf Honduras, wo der Unternehmer versucht, Stück für Stück alle Flughafenkonzessionen des Landes unter seinem (und dem Münchner) Monopol zu vereinen. Inzwischen arbeiten MAI und ein weiteres Unternehmen aus Pérez' Alutech/EMCO-Gruppe auch für den Ausbau des Cargo-Flughafens im benachbarten El Salvador zusammen. Wie im Fall Palmerola International Airport war auch hier Pérez' Unternehmen unterstützt von der MAI am Ende einziger Teilnehmer und Gewinner der Ausschreibung. Am 6.November 2021 wurde der Vertrag unterzeichnet.

Ein pikantes Detail allerdings irritierte die Medien: Der zunehmend autoritär regierende Präsident El Salvadors, Nayib Bukele hatte, so Berichte der Journalistin Karen Molina, für seinen Wahlkampf 2019 eine Spende von einer Million Dollar von Pérez` Unternehmen EMCO erhalten.

Flughafen München als Türöffner

Vor der Zusammenarbeit mit dem Münchner Flughafen hatte Lenir Pérez nach eigener Aussage gegenüber der honduranischen Presse keinerlei Erfahrung im Flughafenbau und -betrieb. Kritiker*innen in Honduras sagen, allein die Kooperation mit dem renommierten Münchner Flughafen öffnete dem Unternehmer die Türen zu millionenschweren Geschäften, die sich inzwischen auch auf mehrere Offshore-Unternehmen in Panamá ausgedehnt haben sollen.

Gut 53 Millionen US-Dollar flossen allein aus der Konversion spanischer Entwicklungshilfekredite in den Bau von Palmerola International Airport. Über 68 Millionen US-Dollar gibt der honduranische Staat, der 2019 nach einer irregulären Abstimmung im Kongress seinen ursprünglich geplanten Anteil von etwas über 22 Millionen um zusätzliche gut 46 Millionen US-Dollar erweiterte. Obed García, Wirtschaftswissenschaftler des honduranischen Thinktanks FOSDEH, wies in einem Interview mit der Internetzeitschrift Contracorriente darauf hin, dass aufgrund der Steuerbefreiungen und der Flexibilität bei der Steuerzahlung der Ertrag für den Staat gleich Null sein könnte:

"Der große Nutznießer ist der Konzessionär, der Einnahmen für ein Projekt erhält, das mit staatlichen Mitteln durchgeführt wird. Dafür gibt es auch langfristig keinen angemessenen Ausgleich, was uns zu dem Schluss kommen lässt, dass das Ziel letztendlich darin besteht, weiterhin eine Wirtschaftselite und vor allem ausländisches Kapital auf Kosten des Wohlergehens der Mehrheit und der öffentlichen Finanzen zu begünstigen.“

Quellen und weiterführende Links:

Opiniones aprobadas por el Grupo de Trabajo sobre la Detención Arbitraria en su 89º período de sesiones, 23 a 27 de noviembre de 2020. Opinión núm. 85/2020, A/HRC/WGAD/2020/85
Übersetzung ins Englische und Download: https://www.guapinolresiste.org/post/un-immediately-release-guapinol-defenders-investigate-those-responsible-for-illegal-detention

Amicus Curiae “Estándares Internacionales sobre Garantías Judiciales y Derecho de Defensa”zum Download: https://www.guapinolresiste.org/post/grupo-de-expertos-pide-el-cese-inmediato-de-la-persecuci%C3%B3n-judicial-en-el-caso-guapinol

https://srdefenders.org/honduras-liberen-a-los-defensores-de-la-comunidad-guapinol-y-cumplan-con-sus-compromisos-internacionales-instan-expertos-de-derechos-humanos-de-la-onu/

Dossier Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger*innen in Zentralamerika:
https://www.rt-za.de/wp-content/uploads/2021/01/RT-ZA_Dossier_Kriminalisierung_MenschenrechtsverteidigerInnen_-In-ZA_WEB_2021.pdf

Unveröff. Hintergrundpapier vom 15.Oktober 2021 über bisherige Einsprüche, Klagen und Rechtsmittel (auch im Hinblick auf Umweltgenehmigungen etc.): El Caso Guapinol – Sector San Pedro y las dos caras del sistema judicial hondureño. Bei Bedarf bitte beim Ökubüro anfordern.

Bericht des honduranischen Nationalen Antikorruptionsrates CNA: https://www.cna.hn/inconsistencias-en-el-contrato-de-concesion-del-aeropuerto-internacional-de-palmerola-2/

Jahresbericht Ökubüro 2018:
https://www.oeku-buero.de/jahresbericht-2018/articles/honduras-3173.html

Jahresbericht Ökubüro 2020:
https://www.oeku-buero.de/jahresbericht-2020/articles/honduras-3319.html

Pressemitteilung Flughafen München
https://www.munich-airport.com/press-new-operator-concession-9866004

Presseartikel El Salvador
https://www.elsalvador.com/noticias/negocios/aeropuerto-internacional-de-el-salvador-aeropuertos/897453/2021/

Bericht Contracorriente „Flughafen Palmerola: Die Einweihung eines unfertigen Millionenprojektes“
https://contracorriente.red/2021/10/16/aeropuerto-palmerola-la-inauguracion-de-una-obra-multimillonaria-sin-terminar/

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