Präsidentschaftskandidat der FMLN muss in die Stichwahl

Mit einem Wahlsieg am 9. März wird gerechnet - vorausgesetzt genügend Wähler_innen werden mobilisiert

Zweite Wahlrunde in El Salvador und Costa Rica erforderlich

von Peter Gärtner 

Am Sonntag, 2. Februar 2014, wurde in zwei zentralamerikanischen Ländern gewählt. Während es in El Salvador „nur“ um die Wahl des Präsidenten ging, wurde in Costa Rica zusätzlich über die Zusammensetzung des Parlaments entschieden. In beiden Ländern ging es knapp zu: In El Salvador verfehlte der klare Wahlsieger Santiago Sánchez Cerén von der FMLN mit 48,92 Prozent nur knapp die absolute Mehrheit der Stimmen, während in Costa Rica die Differenz zwischen den beiden vorn liegenden Präsidentschaftskandidaten circa 19.000 Stimmen beträgt. Da weder Luis Guillermo Solis (30,84 Prozent) noch Johnny Araya (29,64 Prozent) die 40-Prozent-Marke überwinden konnte, ist ebenso wie in El Salvador ein zweiter Wahlgang erforderlich. Die Salvadorianer werden diesen bereits am 9. März zu absolvieren haben, ihren südlichen Nachbarn ist mehr Zeit vergönnt – sie werden erst am 6. April erneut zu den Urnen gerufen. In beiden Ländern konnten diesmal auch die im Ausland lebenden Bürger ihre Stimme abgeben. Allerdings ließen sich nur etwa 10.000 der ca. drei Millionen Salvadorianer, die in den USA leben, für die Wahl in ihrem Heimatland registrieren.

Bei den Stichwahlen kommt in beiden Ländern „dritten Kräften“ eine entscheidende Bedeutung zu. In El Salvador bilden die Wähler der UNIDAD, einem Bündnis dreier Parteien, die den Drittplatzierten Antonio Saca (11,44 Prozent) unterstützt hatten, das Zünglein an der Waage. In Costa Rica kommt diese Rolle den Anhängern der Frente Amplio mit ihrem Spitzenkandidaten José María Villalta zu. Wie sehen nun die Chancen der Sieger der ersten Runde aus, diesen Erfolg in der zweiten Runde zu wiederholen? Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich die Parteienkonstellation in jedem Land genauer ansehen. 

El Salvador: Linker Sieg nur scheinbar leichte Sache

Mit fast 49 Prozent scheint es für Sánchez Cerén von der linken FMLN ein leichtes zu sein, die Stichwahl zu seinen Gunsten zu entscheiden. Immerhin trennen ihn vom Zweitplatzierten, Norman Quijano von der rechten ARENA, zehn Prozent (siehe Tabelle 1).

 

Tabelle 1: El Salvador - Wahlergebnisse vom 2. Februar 2014

Partei/ Koalition

Präsidentschafts­kandidat

Stimmenanteil (in %)

Parlamentssitze (Wahlen v. 11.3.2012)

Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional (FMLN)

Santiago Sánchez Cerén

48,92

31

Alianza Republicana Nacionalista (ARENA)

Norman Quijano

38,95

33**

Movimiento de UNIDAD* (GANA, PDC, PCN)

Antonio Saca

11,44

11***

Partido Salvadoreño Progresista (PSP)

René Rodriguez Hurtado

0,42

-

Fraternidad Patriota Salvadoreña (FPS)

Oscar Lemus

0,26

-

* UNIDAD ist eine Koalition aus drei Parteien, dem Partido de Conciliación Nacional (PCN), die mit 7 Abgeordneten im Parlament vertreten ist, der Gran Alianza por la Unidad Nacional (GANA) mit 11 Abgeordneten und dem Partido Demócrata Cristiano (PDC). Zusammen verfügt UNIDAD damit über 18 Sitze.

­** 2013 hat sich eine Gruppe von fünf Abgeordneten (G-5) von der ARENA-Fraktion abgespalten.

*** Die elf Sitze beziehen sich auf GANA. Der Partido de la Esperanza und der Cambio Democtico haben je einen Sitz. Insgesamt verfügt das Parlament über 84 Abgeordnete.

 

Der Teufel liegt jedoch im Detail – oder besser: in der politischen Verortung des Drittplazierten, Antonio Saca. Dieser war bis 2009 selbst Präsident des Landes. Als damals die FMLN, die aus der gleichnamigen Guerilla-Allianz des Bürgerkrieges von 1980 bis 1992 hervorgegangen war, dann zum ersten Mal die ARENA, die seit 1989 El Salvador regiert hatte, besiegen konnte, war der Schuldige schnell gefunden: Antonio Saca. Er wurde von ARENA ausgeschlossen und gründete mit GANA eine eigene Partei. Bei den Parlamentswahlen von 2012 landete sie mit 11 Abgeordneten auf Anhieb auf Platz drei. ARENA konnte mit 33 zu 31 Sitzen die FMLN überflügeln und sich damit für die Niederlage von 2009 revanchieren. Die klare rechte Mehrheit, zu der noch die sieben Abgeordneten des PCN zu rechnen sind, machte Präsident Funes das Regieren schwer. Trotz der parteipolitischen Aufsplitterung des rechten Lagers dürfte sich dieses hinter Norman Quijano von der ARENA stellen, um einen Sieg der FMLN-Kandidaten vielleicht doch noch abzuwenden.

Sánchez Cerén hat angesichts dieser Konstellation zwei Möglichkeiten: Er kann zu einen versuchen, sich die notwendigen Stimmen bei den Nicht-Wählern zu holen. Zum anderen besteht die Möglichkeit, durch Zugeständnisse Teile der Anhänger von UNIDAD auf seine Seite zu ziehen. Die Crux liegt darin, dass beide Optionen eine unterschiedliche Strategie implizieren. Die erste kann nur dann aufgehen, wenn die FMLN auf politische Mobilisierung und die Schärfung ihres linken Profils setzt, während die zweite aufs Gegenteil zielt: Kompromisse und Absprachen mit der „schwankenden Mitte“.

Nach dem Bürgerkrieg, in dem sich die ARENA als „Partei der Todesschwadrone“ profiliert hatte und dann den vollen Zuspruch der salvadorianischen Oligarchie fand, etablierte sich ein Parteiensystem mit einem dominanten Rechts-Pol (ARENA) und einem immer stärker werdenden Links-Pol (FMLN), das die Entstehung eines stabilen Zentrums verhinderte. Die während des Bürgerkrieges mit US-Untersatützung regierenden Christdemokraten (PDC), die sich damals als die politische Mitte gerierten, sind kaum noch wahrnehmbar. Im Parlament nicht vertreten, suchten sie ihr Heil in der Koalition mit GANA und dem PCN. Die zweite, links vom PDC verortete Zentrumskraft ist der Cambio Democratico, für den es 2012 lediglich für einen Parlamentssitz gereicht hatte. Immerhin gehen Prognosen der UCA (Universidad Centroamericana) davon aus, dass etwa ein Viertel der Wähler von Saca/ UNIDAD im zweiten Wahlgang für Sánchez Cerén stimmen könnten.

Die zweite Strategie müßte darauf zielen, aus der Gruppe der Nicht-Wähler genügend Stimmen für die FMLN zu mobilisieren. Da nur 53,5 Prozent der fast 5 Millionen Wahlberechtigten am 14. Februar ihr Votum abgegeben haben (gegenüber 65 Prozent 2009), spricht vieles für die Mobilisierungsstrategie. Sie dürfte zudem den Vorteil besitzen, dass die FMLN – im Erfolgsfall – als „ehrlicher“ Sieger dastehen würde und auf das politische Taktieren mit anderen Parteien verzichten könnte.

In den nächsten Wochen wird sich auch zeigen, wie es um die ARENA bestellt ist. Wird sich der Spaltungs- und Fragmentierungsprozeß des rechten Lagers fortsetzen oder erweist sie sich als Rettungsanker für all jene, die einen Sieg der FMLN bei der Stichwahl um jeden Preis verhindern wollen?

Costa Rica: Ist ein Richtungswechsel möglich?

Während es in El Salvador darum geht, den 2009 eingeleiteten Richtungswechsel abzusichern und voranzutreiben, bietet der zweite Wahlgang in Costa Rica die Chance, einen solchen erstmals durchzusetzen. Hier hatte bis 2002 das traditionelle „Spiel“ zwischen PLN und PUSC, die sich bei der Regierung des Landes untereinander abwechselten, noch funktioniert. Die Wahlen von 2006 standen allerdings ganz im Zeichen der politischen Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern der Freihandelabkommens mit den USA (CAFTA). Damals konnte Oscar Arias (PLN), der den CAFTA-Abschluss unbedingt durchsetzen wollte, seinen Gegner Ottón Solís, der die CAFTA-Gegner hinter der 2001 gegründeten Anti-Korruptions-Partei PAC vereinen konnte, mit 40,92 Prozent zu 39,80 Prozent knapp schlagen. Ein zweiter Wahlgang war damals nicht nötig. Laut Wahlgesetz reicht im ersten Wahlgang ein Anteil von über 40 Prozent aus, um als Präsident gewählt zu werden. Der PUSC-Kandidat Ricardo Toledo lag mit 3,55 Prozent weit abgeschlagen auf Platz vier. Bei den Parlamentswahlen kam seine Partei immerhin auf 7,82 Prozent. Seitdem ist der PAC an die Stelle des Hauptkonkurrenten des PLN getreten.

Vier Jahre später, 2010, fiel der Wahlsieg des PLN überzeugender aus: Laura Chinchilla siegte mit 46,78 Prozent, während Ottón Solís als Zweitplazierter nur auf 25,15 Prozent kam. Chinchillas Regierungsführung rief jedoch zahlreiche Kritiker auf den Plan und bewirkte eine Wechselstimmung. Davon konnte diesmal der PAC-Kandidat Luis Guillermo Solís, wenn auch nur äußerst kanpp, profitieren. Der geringe Abstand zwischen ihm und dem PLN-Kandidaten Johnny Araya macht laut Wahlgesetz nun sogar eine Neuauszählung der Stimmen erforderlich.

 

Tabelle 2: Costa Rica - Wahlergebnisse vom 2. Februar 2014

Partei

Präsidentschafts­kandidat

Stimmen­anteil (in %)

Parlamentssitze (von 57)

Partido Acción Ciudadana (PAC)

Luis Guillermo Solis

30,84

18

Partido Liberación Nacional (PLN)

Johnny Araya

29,64

14

Frente Amplio (FA)

José María Villalta

17,14

9

Partido Unidad Social Cristiana (PUSC)

Rodolfo Piza Rocafort

6,01

8

Movimiento Libertario (ML)

Otto Guevara

11,22

3

Partido Patria Nueva

José Miguel Corrales Bolaños

1,5

0

Restauración Nacional

Carlos Luis Avendaño Calvo

ca. 1

k.A.

Andere Präsidentschaftskandidaten, die weniger als ein Prozent erhielten, waren: Justo Orozco Álvarez (Renovación Costarricense) mit 12.655 Stimmen (0,81 %), Óscar Andrés López Arias (Partido Accesibilidad Sín Exclusión) mit 8.326 Stimmen (0,53 %), Sergio Mena Díaz (Partido Nueva Generación) mit 4.525 Stimmen (0,29 %), Héctor Monestel Herrera (Partido de los Trabajadores) mit 3.885 Stimmen (0,25 %), José Manuel Echandi Meza (Partido Avance Nacional) mit 3.587 Stimmen (0,23 %) sowie Walter Muñoz Céspedes (Partido Integración Nacional) mit 3.248 Stimmen (0,21 %).

 

Ein Novum der diesjährigen Wahlen war das überraschend gute Abschneiden des Linksbündnisses Frente Amplio (FN). Ihr Spitzenkandidat José María Villalta kam mit 17,14 Prozent auf den dritten Platz und im Parlament verfügt der FN über neun Sitze.

Solís hat im zweiten Wahlgang nur dann eine Chance gegen Araya zu gewinnen, wenn er ein Bündnis mit den Linken eingeht. Damit bietet sich zugleich die Chance, eine Fortsetzung der PLN-Herrschaft zu verhindern und einen Richtungswechsel einzuleiten. Allerdings dürfte klar sein, dass wahlarithmetische Überlegungen dafür nicht ausreichen. Nötig ist vor allem ein inhaltliche Positionsbestimmung von Solís und dem PAC im Sinne einer anti-neoliberalen Politik. Nur wenn sich Solís als deutliche Alternative zur bisherigen Politik des PLN profiliert, kann er die Mehrheit der Wähler für sich und seine Politik gewinnen.

mit freundlicher Genehmigung von:

www.quetzal-leipzig.de

 

 

 

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