Für eine DIVERSE Wahrheit – aus Kolumbien und aus dem Exil

MÜNCHEN (10.8.2020 oeku-buero). In einer bewegenden Online-Konferenz der kolumbianischen Wahrheitskommission, die vom Ökubüro und mehreren anderen Organisationen unterstützt wurde, erinnerten LGBTIQ*-Aktivist*innen am 18.07.2020 an die Mitglieder der Community, die unter den Augen einer gleichgültigen oder feindlichen Gesellschaft ermordet oder verschwundengelassen wurden und weiterhin, auch innerhalb der Einschränkungen der Quarantäne in Kolumbien, werden (*Siehe unten). Sie berichteten von ihren Erfahrungen in Kolumbien, aber auch von den Verletzungen elementarer Rechte auf der Suche nach Zuflucht in Europa, forderten Reparationsprozesse und Garantien für eine Nicht-Wiederholung der Verbrechen gegen die Community.


Hier einige Ausschnitte auf Deutsch:

“Ich habe die kolumbianische Realität ,vergessen’, bis die Wahrheitkommission begann zu arbeiten. Homosexuell zu sein ist überall auf der Welt eine schwierige Erfahrung, aber in Kolumbien noch mehr. Ich war 15 Jahre alt als sie mir eine Waffe an den Kopf gehalten haben und sagten, sie würden mich umbringen, weil ich eine ;Schwuchtel’ sei.”

nach Großbritannien geflüchteter schwuler Aktivist

 

“Ich denke, dass Gendergewalt und sexuelle Gewalt Mechanismen sind, die durch den Kapitalismus und das heteronormative Patriarchat legitimiert und naturalisiert werden. Die Gesellschaft kann auf diese Weise diejenigen bestrafen, herabwürdigen und ermorden, die beschlossen haben, frei zu sein. Denn wir machen den kulturellen und religiösen Zwang sichtbar, den die konservativen Institutionen ausüben. (…) Wir sind erschöpft, aber wir müssen unsere kollektiven Organisationsprozesse vorantreiben, Druck auf die staatliche Politik machen, von der Basis aus, von unseren Trans*Bewegungen aus. Und immer wieder unsere Rechte einfordern. Wir müssen weiter öffentlich Anklage erheben, damit die Wahrheit ans Licht kommt, damit es Reparationsprozesse gibt und echte Garantien dafür, dass die Geschichte sich nicht wiederholt.

Trans*Menschenrechtsverteidiger in Kolumbien

 

Weil wir uns als Lesben geoutet haben, haben unsere Familien uns den Rücken gekehrt. Unsere ehemaligen Freunde haben uns verurteilt und sogar bedroht, ausgeraubt und mundtot gemacht, bis wir überhaupt nicht mehr weiter wussten.”

Lesbisches Paar, in den spanischen Staat geflüchtet

 

“Der bewaffnete Konflikt in Kolumbien hat die Ausstoßung des „Anderen“ begünstigt. In einem Krieg mit verschiedenem Akteur*innen haben sich klar erkennbare Gewaltmuster gegen Transgender-Personen herausgebildet. Leider ist der Konflikt latent immer noch vorhanden und die Muster der Gewalt gegen unsere soziale Gruppe bestehen fort. (…) Wir, „das Andere“, sind eine Bedrohung für den Krieg, denn wir schlagen einen Wandel zum Frieden vor, in dem wir alle gehört werden. Wir möchten einen Wandel, der gesellschaftliche Komfortzonen auflöst und das tut den Privilegierten weh. Für sie ist es leichter, eine Gesellschaft zu propagieren, die von Angst gesteuert wird, eine Gesellschaft voller Hass und Vorurteile, die uns mit Frauenhass und Trans*Feindlichkeit überzieht. Uns aus dem System zu vertreiben, ist eine Form den Krieg weiterzuführen.”

Trans*aktivistin, die nach Ablehnung in mehreren europäischen Ländern Zuflucht in Dänemark fand

 



* In Kolumbien sind bis Anfang August 2020 wenigstens 8 Trans*frauen und -aktivistinnen ermordet worden.
Hier stellen wir einige Fälle von Gewalt gegen Mitglieder der LGBTIQ* Community bzw. LGBTIQ* Aktivist*innen vor.

- Bogotá, 29.05.2020. Alejandra Monocuco, Transfrau. Bei einem Notfall an Kurzatmigkeit gestorben.
Die Sanitäter weigerten sich sie zu retten, wegen ihrer sexuellen Orientierung und weil sie HIV+ war.
https://www.lafm.com.co/bogota/familia-de-mujer-trans-fallecida-en-bogota-asegura-que-la-dejaron-morir-ahogada

- Medellín, 28.06.2020 (Christopher Streetday, Tag der LGBTIQ+ Community). Eilyn Catalina, 21, Transfrau. Ermordet.
https://www.lafm.com.co/colombia/mujer-trans-fue-asesinada-en-medellin-durante-el-dia-del-orgullo-lgbtiq

- Medellín, 06.07.2020. Shantall Escalona, Transfrau. Ermordet.
https://caracol.com.co/emisora/2020/07/08/medellin/1594169131_827942.html#

- Valledupar (Im Norden Kolumbiens), 11.07.2020. Leidy Padilla, Transaktivistin, 41. Ermordet.
https://caribeafirmativo.lgbt/asesinan-en-valledupar-a-leidy-padilla-una-lideresa-trans-que-hacia-parte-de-los-procesos-del-movimiento-social-de-esa-ciudad

- Medellín, 25.07.2020. Transfrau wird von Polizisten angegriffen:
https://youtu.be/IPIw2MTCjz8

- Buga (in der Nähe von Cali), 26.07.2020. Luisa Ávila Henao, 24, Transfrau. Ermordet.
https://escandala.com/la-activista-trans-luisa-avila-es-asesinada-en-colombia

- Sincelejo (im Norden Kolumbiens), 30.07.2020. Luis Álvarez, 17. Wegen seiner sexuellen Orientierung angegriffen. Der Angreifer amputierte einen seiner Arme mit einer Machete.
https://www.elespectador.com/noticias/nacional/discriminacion-contra-adolescente-lgbt-en-sincelejo

- Buga, 28.07.2020. Luisa Ávila Henao, Transaktivistin, 23. Gewaltsam verschwunden & ermordet.
https://www.pulzo.com/nacion/encuentran-muerta-mujer-trans-buga-valle-PP946843

- Sucre, Im Norden Kolumbiens. 30.07.2020. Luis Álvarez, 17. Wegen seiner sexuellen Orientierung angegriffen. Einer seiner Arme wurde mit einer Machete amputiert.
Der Täter ist ebenfalls 17 Jahre alt.
https://www.bluradio.com/judicial/joven-lgbti-en-sucre-le-amputaron-un-brazo-en-represalia-por-su-orientacion-sexual-crbe-261748-ie6569931

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