„Der Gipfel ruft, wir kommen alle!“

Transnationale Mobilisierungstour für Bewegungsfreiheit, Autonomie und Gutes Leben statt G7. Vom 13.  Mai 2015 bis zum 05. Juni 2015.


Warum diese Mobilisierungstour?


Anfang Juni trafen sich die Herrschenden der mächtigsten Staaten der Welt, der so genannten „Gruppe der Sieben“ (G7), zu ihrem jährlichen Gipfeltreffen auf Schloss Elmau in den bayerischen Alpen. Die negativen Folgen ihrer Politik bekommt die gesamte Welt zu spüren. Daher haben sich tausende Aktivist*innen auf den Weg gemacht, um zwischen dem 3. und 8. Juni die Idylle mit massiven Protesten zu stören. Zweieinhalb Wochen zuvor fand der 37. BUKO-Kongress in Münster statt (14. bis 17. Mai). Dort haben einige hundert Aktivist*innen debattiert, was transnationale Solidarität heute bedeutet. Die Parole lautete „future.unwritten“: Es ist an der Zeit, die Geschichte selbst neu zu schreiben.
Was lag näher als diese beiden Orte zusammenzubringen? Mit der Inspiration des Kongresses in Münster haben wir eine international zusammengesetzte Mobilisierungstour gestartet, bei der wir auf dem Weg zu den Anti-G7-Protestaktionen in zahlreichen deutschen Städten Halt gemacht haben. Die internationalen Aktivist*innen, die mit dem Bus durch Deutschland tourten, haben deutlich gemacht, warum weltweit Menschen gegen die Politik der G7-Staaten kämpfen. So wollten wir zu den Protestaktionen gegen das Gipfeltreffen mobilisieren und eine solidarische Diskussion sowie eine Vernetzung zwischen Nord und Süd aber auch zwischen Bewegungen des Südens untereinander ermöglichen: Was sind die Bedingungen und Gemeinsamkeiten unserer Kämpfe? Wie können Süden und Norden gemeinsam für politische Veränderungen eintreten?

Der alte Ikarus hat uns fast bis zur Sonne gebracht... big up Jörg!


Den Auftakt der Tour bildete die Teilnahme am 37. Kongress der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO), bei der die Aktivist*innen verschiedene Workshops anboten, und am Sonntag, die Auftaktveranstaltung der Mobitour organisierten. Den Abschluss der Tour bildete die Teilnahme an den Protest- und Gegenaktivitäten rund um den G7-Gipfel in Elmau. Dazwischen lagen dreizehn Stationen, die mit einer Vielzahl an Veranstaltungen, Workshops, Kundgebungen, Theatervorführungen, Diskussionsrunden, Flash-Mobs, Interviews und Demonstrationen gefüllt waren.
Thematisch gab es durch die Aktivist*innen mit verschiedenen Hintergründen eine große Bandbreite an Themen, die sich gut ergänzten und bei denen der Bezug zu der Politik der G7-Staaten sehr deutlich wurde.


1. Freihandel

Die G7 steht unter anderem politisch für Freihandel. Seit Bekanntwerden der TTIP-Verhandlungen ist das Interesse für die Folgen des Freihandels auch hier gestiegen. Weniger bekannt ist offenbar, dass bei bereits bestehenden Freihandelsabkommen die Wirtschaft der G7-Staaten profitiert, während die „Partnerländer“ der Abkommen mit den Folgen für ihre Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft kämpfen müssen.


2. Kapitalistische Klimapolitik

Mit einer kapitalistischen Klimapolitik versucht die G7 Naturschutz über marktbasierte Maßnahmen zu erreichen: Finanzwirtschaft, Agrobusiness und Gentechnik werden unter dem Stichwort Green Economy zu nachhaltigen Lösungen erklärt. Fragen nach Verteilungsgerechtigkeit oder Alternativen zu Wachstum und Privatisierung bleiben ausgeklammert, die „grünen Projekte“ werden mithilfe von Menschenrechtsverletzungen durchgesetzt.


3. Landraub

Großprojekte und die Ausbeutung von Bodenschätzen führen vermehrt zu Landraub, wogegen sich die kleinbäuerliche und indigene Bevölkerung des globalen Südens organisiert. Denn ihre „Territorien“ nehmen eine zentrale Rolle im Streben nach Ernährungssouveränität und der Bewahrung  indigener und afro-lateinamerikanischer Kultur, Sprache und Spiritualität ein. Die G7-Staaten machen sich mitschuldig wenn sie bei Menschenrechtsverletzungen beide Augen zudrücken, um die Profitinteressen von Konzernen aus den G7-Ländern nicht zu gefährden.


4. Militarisierung

Militarisierung nennt man den Bedeutungszuwachs des Militärs in einem Land, das sich nicht offiziell im Kriegszustand befindet. Politische Antagonist*innen werden als Feinde innerhalb einer Kriegslogik betrachtet. Die G7 trägt unter anderem durch die Genehmigung von Waffenexporten sowie die Vermischung von Entwicklungs- und Sicherheitspolitik zur Militarisierung im Globalen Süden bei. Ebenso spielt die militärisch-technische Aufrüstung ihrer eigenen Grenzen eine zentrale Rolle bei der Repression gegen Geflüchtete und Migrant*innen.


5. Migration und Flucht

Liliana Uribe, auf dem Eröffnungsodium des „Gipfels der Alternativen“.

 

Mithilfe ihrer restriktiven Flüchtlingspolitik entziehen sich die G7-Staaten ihrer Verpflichtung zur Aufnahme von Schutzsuchenden. Die Parallelen zwischen dem Umgang mit Migration aus Lateinamerika in den USA, mit Geflüchteten aus Afrika und dem Nahen Osten in Europa oder mit Refugees aus China und Südostasien in Japan sind kaum zu übersehen. Mörderische Grenzpolitik, Kriminalisierung und Ausgrenzung bestimmen das Bild. Bei Betrachtung der Fluchtursachen wird zudem der Bezug zu den Themen Landraub, Militarisierung und Freihandel deutlich.
Als Referent*innen haben an der Mobilisierungstour drei Aktivist*inen aus Lateinamerika (Mexiko, Honduras, Kolumbien) sowie drei Aktivist*innen aus Afrika bzw. Deutschland teilgenommen. Im Einzelnen:
Liliana Uribe: bekannte kolumbianische Anwältin, engagiert sich gegen Militarisierung und Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen. Aufgrund ihrer mutigen Arbeit werden sie und ihre Kolleg*innen der Cooperación Jurídica Libertad (Juristische Vereinigung Freiheit) mit dem Tode bedroht.
Magdiel Sánchez: mexikanischer Aktivist, u.a. bei den Jugendlichen gegen den Nationalen Notstand (JEN) und dem Ständigen Tribunal der Völker (TPP). Das TPP hatte in Mexiko 2011 seine Arbeit aufgenommen und als eine Art „zivilgesellschaftliches Gewissenstribunal“ in öffentlichen Anhörungen die verheerenden Folgen von Freihandelspolitik, Drogenkrieg, Gewalt und Verletzung der Völkerrechte durch Staat und Unternehmen aufgedeckt.
Bertha Isabel Zúniga: honduranische Radiomacherin, Feministin und Aktivistin für die Rechte indigener Gemeinden, unter anderem engagiert in der politischen Bildungsarbeit von COPINH (Rat indigener und sozialer Organisationen Honduras). Zúniga, die in Kuba studiert hat, wurde 2015 Opfer eines Entführungsversuches.
Riadh Ben Ammar: tunesischer Aktivist und Theatermacher, der vor 15 Jahren selbst als Harraga, als irregulärer Immigrant oder wörtlich „Grenzverbrenner“, nach Deutschland kam und sich in seinem Stück „Hurria!“, arabisch „Freiheit“, mit den vielschichtigen Kämpfen für (Bewegungs-)Freiheit im Zuge der tunesischen Revolution 2011 auseinandersetzt.
Touré Moussa, engagiert bei Voix des Migrants und in Deutschland beim Netzwerk für die Internationale Koalition der Sans-Papiers MigrantInnen und Flüchtlinge (CISPM).
Souad Rouahi und Mohamed Ben Smida von der Initiative La Terre Pour Tous, die Familien vermisster Refugees mit abgeschobenen Harraga (arabisch: wörtlich „Grenzverbrenner*innen“ bezeichnet irreguläre Migrant*innen) und Künstler*innen vernetzt.
Die Tour hatte 15 Stationen in verschiedenen deutschen Städten. Auf den verschiedenen Veranstaltungen gab es  regen Austausch mit den Besucher*innen, die aus den verschiedensten Spektren (Menschenrechtsarbeit, Linke Szene, Lateinamerika-Solidarität, Antirassismus-Arbeit, Studierende, Geflüchtete, Eine-Welt-Szene) kamen. Teilweise sind dauerhafte Kontakte zwischen den Gruppen in den einzelnen Städten, der bundesweiten Orga-Gruppe und den Aktivist*innen entstanden und es werden Folgeaktivitäten geplant.
Auch der Austausch unter den Aktivist*innen selber (Süd-Süd-Vernetzung) hat gut funktioniert. Es war bereichernd für die einzelnen Teilnehmer*innen, sich gegenseitig über die Problematiken in den verschiedenen Ländern zu informieren. Ein Beispiel dafür war der Kontakt zwischen den Angehörigen der Vermissten in Tunesien mit den Aktivist*innen in Mittelamerika bezüglich Fluchtgründen, der Situation der Geflüchteten und Diskriminierung in den Aufnahmeländern (EU bzw. USA). Einschränkungen gab es aber aufgrund der sprachlichen Barrieren. In der Gruppe wurde französisch, arabisch, spanisch, deutsch und englisch gesprochen. So hatten wir leider keine Sprache zur Verfügung, die alle Teilnehmer*innen der Karawane sprechen und verstehen konnten. Dies war andererseits auch eine tolle interkulturelle Erfahrung für alle Teilnehmer*innen und Organisator*innen.
Parallel zur Tour wurde ein Blog eröffnet, der zur Mobilisierung und Dokumentation genutzt wurde. (einsehbar unter: http://dietour.blogsport.de/. Leider waren die Kapazitäten jedoch etwas eingeschränkt, um eine umfassende Medienarbeit zu realisieren.

Den Tourbus konnten wir immer reparieren,

der Kapitalismus hingegen ist schrottreif

 

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