Brief an den IWF zur Einmischung in die Haushaltspolitik Nicaraguas

An den International Monetary Fund (IWF), 700 19th Street, NW Washington, D.C. 20431 USA

Sehr geehrter Herr D. Rodrigo Rato,

die Milleniumserklärung* der Vereinten Nationen war ein Meilenstein im Kampf gegen die Armut und für die Entwicklung. Bei der UN- Konferenz im September 2005 zeigte dich derweil, dass die meisten Länder beim Erreichen der für 2015 vereinbarten Ziele weit hinterherhinken.

Nicaragua ist eines dieser Länder. Heute haben 80 % der Bevölkerung Nicaraguas weniger als 2 US-Dollar am Tag zum Überleben. Die Zahl der Kinder im schulpflichtigen Alter, welche die Schule besuchen, ist in den letzten drei Jahren von 85% auf 80% gefallen und das Ziel, den Schulbesuch für alle zu ermöglichen, ist weiter in die Ferne gerückt. Das Bildungsministerium geht davon aus, dass sich der Anteil bis 2015 auf 71 % verringert, statt wie vorgesehen auf 100% zu steigen. Nicaragua steht vor einer so klaren Verspätung beim Erreichen der Milleniumsziele, dass ein schneller und krativer Einsatz eine klare Notwendigkeit darstellt.

Dies kann durch den Internationalen Währungsfond nicht ignoriert werden. Nicaraguas großer Bedarf an internen und externen Ressourcen für die Armutsbekämpfung ist offensichtlich. Die Aufwendungen des nicaraguanischen Staates für den sozialen Bereich sind heute, mit 68 US-Dollar, Pro Kopf, pro Jahr die niedrigsten in ganz Lateinamerika, während Länder wie Honduras oder Bolivien etwa das Doppelte aufwenden. Deshalb ist es sehr überraschend zu hören, dass der IWF an der Begrenzung der Ausgaben für Bildung und Gesundheit auf dem Niveau von 2000 festhält, während der Erhöhung von Finanzreserven und der Rückzahlung der öffentlichen Schulden eine höhere Priorität eingeräumt wird.

Unter diesen Bedingungen hat die Regierung Nicaraguas selbst anerkannt, dass, wenn der erhöhte Bedarf für soziale Leistungen in Folge des Bevölkerungswachstums nicht gedeckt werden kann, der historische Rückstand auf diesem Gebiet bestehen bleiben wird. Nach Angaben der UN-Kommission für Lateinamerika und die Karibik (Comisión Económica para América Latina, CEPAL, ECLAC) müsste Nicaragua seine Ausgaben im Bereich Bildung um jährlich 8 % erhöhen, um den Schulbesuch für alle zu ermöglichen. Das Ministerium schätzt die notwendige Erhöhung der Ausgaben auf 87,5 Millionen Dollar.

Diese schwiergige Situation verlangt, dass der IWF und die Weltbank einen Schritt weiter dahin gehen, die nationalen Amutsbekämpfungsstrategien mit den Milleniumszielen zu verbinden. Der IWF muss anerkennen, dass es notwendig ist, die in seinem Programm für Nicaragua enthaltenen Finanzierungsvorbehalte aufzuheben, damit die finanzpolitischen und makroökonomischen Ziele nicht zu einem Hindernis beim Erreichen der Ziele für 2015 werden.

Deshalb forden auch Intermon Oxfam und die Coordinadora Civil den IWF dazu auf, seine Bedingungen dem Erreichen der für 2015 gesetzten Ziele unterzuordnen und eine größere Flexibilität bei der Zuteilung öffentlicher Mittel für die sozialen Ziele zu ermöglichen. Gleichzeitig fordern wir zu einer offenen und transparenten Debatte über die beschriebenen Prozesse und deren Bedeutung für Nicaragua auf. Wir hoffen, dass Sie eine Debatte dazu innerhalb des IWF anstoßen können.

Mit freundlichen Grüßen


* Resolución aprobada por la Asamblea General 55/2. Declaración del Milenio
http://www.un.org/spanish/millenniumgoals/
http://www.un.org/millenniumgoals/goals.html

 

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