Editorial ila 352 Februar 2012 

In den frühen achtziger Jahren war über Honduras in der ila relativ viel zu lesen. Damals hatte die US-Regierung unter Ronald Reagan das Land massiv militarisiert und zur Ausgangsbasis für ihren konterrevolutionären Krieg gegen die Revolution in Nicaragua und die FMLN in El Salvador gemacht. Von Honduras aus operierte die antisandinistische Contra und versuchte mit permanenten Terroranschlägen gegen die Zivilbevölkerung (die Strategen in Washington nannten das „Krieg niederer Intensität“) die NicaraguanerInnen müde und mürbe zu machen. Unterstützt wurde dieser Krieg von der hochgerüsteten honduranischen Armee unter dem Kommando des berüchtigten Generals und De-facto-Machthabers Álvarez Martínez, die auch die eigene Bevölkerung systematisch terrorisierte. Damals „verschwanden“ mehr als hundert Menschen, die mit einer Ausnahme nie wieder auftauchten, nicht einmal ihre Leichen wurden gefunden.

Álvarez Martínez wurde 1989 von revolutionären Arbeitern erschossen und mit der Wahlniederlage der FSLN in Nicaragua 1990 endete der Contra-Krieg. Die honduranische Armee und Polizei wurde jedoch nie gesäubert und für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen. Entsprechend verkommen agierten sie weiter und wie in Guatemala widmeten sich zahlreiche Offiziere fortan der organisierten Kriminalität, vor allem dem Drogenhandel, aber auch zahlreichen anderen einträglichen dunklen Geschäften.

Politisch lösten sich die beiden traditionellen Parteien des Landes, die Liberalen und Nationalen an der Regierung ab – ökonomisch neoliberal und politisch konservativ waren beide. Im November 2005 wurde der Liberale Manuel Zelaya zum Präsidenten gewählt. Dem kleinen sozialliberalen Flügel der Partei angehörend, hatte er keine starke Hausmacht in der Machtelite. Er suchte den Dialog mit den sozialen Bewegungen und die Zusammenarbeit mit den linken Regierungen Lateinamerikas, vor allem der Venezuelas.

Das wollte die honduranische Oligarchie und die US-Lateinamerikastrategen nicht hinnehmen. Am 28. Juni 2009 putschte das Militär, nahm Zelaya fest und flog ihn von der US-Luftwaffenbasis Palmerola aus nach Costa Rica. Am selben Tag wurde Roberto Micheletti, Repräsentant des oligarchischen Flügel der Liberalen Partei, von Teilen des Kongresses zum „Übergangspräsidenten“ ernannt. Unter seiner Herrschaft kam es zu fortgesetzten Menschenrechtsverletzungen, die bei vielen Erinnerungen an die düsteren achtziger Jahre weckten. Trotz der Repression erstarktem die sozialen Bewegungen. Bereits am Tag des Putschs gründete sich die Frente Nacional contra el Golpe de Estado (Nationale Front gegen den Staatsstreich), aus der später die Frente Nacional de Resistencia Popular (Nationale Front des Volkswiderstands – FNRP) wurde. Die Frente ist ein Zusammenschluss von Gewerkschaften, bäuerlichen Organisationen, Frauenverbänden, studentischen Gruppen, Lesben- und Schwuleninitiativen, kritischen ChristInnen und vielen anderen. Deren wichtigstes Ziel ist die Neugründung von Honduras durch die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung.

Seit den „Wahlen im Ausnahmezustand“ im November 2009 wird Honduras von dem Konservativen Porfirio Lobo regiert. Der redet zwar ständig von „nationaler Versöhnung“ und hat Manuel Zelaya die Rückkehr aus dessen dominikanischem Exil gestattet, doch die Repression gegen die sozialen Bewegungen geht unvermindert weiter und hat sogar noch an Intensität gewonnen. Mit Polizei und Armee verbundene Paramilitärs terrorisieren AktivistInnen der linken Opposition. Verbunden mit der „normalen“ Kriminalität, in der die Sicherheitskräfte ebenfalls ihre Finger haben, wurde Honduras zu einem der gefährlichsten Länder überhaupt, mit 82 Morden pro 100 000 EinwohnerInnen hat es heute die höchste Mordrate weltweit.

Nach der Rückkehr Zelayas haben Teile der Widerstandsfront FNRP und DissidentInnen der Liberalen Partei die neue Mitte-Links-Partei Partido de Libertad y Refundación (Partei der Freiheit und der Neugründung, LIBRE). Die Parteigründung ist bei den AktivistInnen aber umstritten, nicht wenige in der Frente sind der Meinung, sich damit auf das politische Spiel des Establishments einzulassen. Auch die honduranischen AutorInnen und InterviewpartnerInnen dieser ila haben dazu sehr unterschiedliche Positionen.

In Honduras ist vieles in Bewegung geraten. Wenn die Oligarchie gedacht hatte, mit dem Sturz Zelayas den Status Quo wiederherzustellen, ist sie definitiv gescheitert. Aber der Weg zur Neugründung des Landes und einer sozialen Umgestaltung ist noch weit.

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