Aktuelle wirtschaftliche und soziale Situation Nicaraguas

August 2009
Nicaragua ist heute nach Haiti das zweitärmste Land auf dem amerikanischen Kontinent. Mindestens 50 % der Bevölkerung lebt in Armut. Das Land ist abhängig von ausländischer Hilfe und den Rücküberweisungen der im Ausland arbeitenden NicaraguanerInnen. Fast ein Viertel des arbeitsfähigen Teils der Bevölkerung hat die Heimat verlassen. Ohne ihre Überweisungen (remesas), vor allem aus den USA und Costa Rica, könnten die daheimgebliebenen Verwandten kaum überleben. An dieser Situation hat sich auch seit 2007, als die aus der sandinistischen Revolution von 1979 hervorgegangene FSLN an die Regierung kam, nichts Grundsätzliches geändert. Natürlich sind die Sozialprogramme der Regierung Ortega für den armen Teil der Bevölkerung sehr wichtig. Kostenlosigkeit im Schul- und Gesundheitswesen und Programme zur Förderung der Produktion wie „Hambre Cero“ kommen vor allem der Landbevölkerung zugute. Die dafür notwendigen Mittel stammen aus dem für die Regierung sehr vorteilhaften Ölimport, die ihr Venezuela im Rahmen des Staatenbündnisses ALBA gewährt. Besonders erwähnenswert sind die erfolgreichen Anstrengungen der Regierung Ortega auf dem Gebiet der Alphabetisierung. Die UNESCO hat vor kurzem bestätigt, dass es Nicaragua in den letzten Jahren gelungen ist, die Analphabetenquote von 30 % auf unter 4,5 % zu senken.
In der Wirtschaftspolitik sind über die Teilnahme an ALBA hinaus kaum Unterschiede zu der neoliberalen Politik der Vorgängerregierungen zu erkennen. Wie diese verhandelt auch die Regierung Ortega mit dem IWF und bemüht sich dessen Auflagen zu erfüllen. Auch ihre Hauptziele sind die Steigerung der Exporte und die Vergrößerung der freien Produktionszonen, in denen Textilfabriken, „Maquilas“, für den Weltmarkt produzieren. Bei den sonstigen Exporten handelt es sich fast ausschließlich um landwirtschaftliche Produkte. Die Exportsteigerungen, die dabei erreicht wurden, sind ganz offensichtlich auf Kosten der Umwelt gegangen und haben nur einigen wenigen Großen im Exportgeschäft genutzt. So sind zum Beispiel große Teile des Urwaldes, der noch vor einem halben Jahrhundert die Provinzen der Atlantikküste bedeckt hat, abgeholzt und für den Fleischexport in Weideland umgewandelt worden. Auch die Mangrovensümpfe an den Küsten haben sich dramatisch reduziert. An ihrer Stelle findet man heute Garnelenfarmen, die Basis eines weiteren zweifelhaften Booms im Exportsektor. Auch die Regierung Ortega setzt auf den Freihandelsvertrag mit den USA und beteiligt sich an den Verhandlungen zu einem Assoziierungsabkommen der zentralamerikanischen Länder mit der EU.

 

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