Honduras: Zwischen kollabiertem Gesundheitssystem und "intelligenter Wiederöffnung" der Wirtschaft

Lockdown traf viele Honduraner hart. Zahl der Covid-19-Neuinfektion weiterhin stark ansteigend

Von Daniela Dreißig
amerika21

Tegucigalpa. Ärzte und Krankenhausdirektoren haben in Honduras vor einer Überbelegung der großen öffentlichen Kliniken mit Corona-Infizierten und fehlendem medizinischen Personal gewarnt. Anfang dieser Woche wurde nach knapp drei Monaten wirtschaftlichen Stillstands durch die SARS-CoV-2-Pandemie den Unternehmen erlaubt, ihre Produktion wieder aufzunehmen und Geschäfte zu öffnen.

Der Plan der sogenannten intelligenten Wiederöffnung sieht die Einteilung des Landes in drei Regionen vor, die in Abhängigkeit der Infektionszahl und der Bevölkerungsdichte stehen. Demnach sollen in der Hauptstadt Tegucigalpa und in den nördlichen Ballungszentren, die sich zu Hotspots der Infektionen entwickelt haben, nur 20 Prozent der Bevölkerung an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. In den anderen Regionen des Landes sollen zwischen 40-60 Prozent der Bevölkerung wieder arbeiten können.

In einer interdisziplinären Planungssitzung hatte Präsident Juan Orlando Hernández am 3. Juni erklärt, dass die Unternehmer für Ihre Gesundheit sowie die ihrer Familien und Mitarbeiter verantwortlich seien. "Wenn Sie auf sich aufpassen, vermeiden Sie die schrecklichen Szenarien anderer Länder, in denen die Krankenhäuser die Versorgung nicht gewährleisten", so Hernández.

Laut Unternehmerverband (COHEP) sind während der Quarantäne mehr als 500.000 Arbeitsplätze verloren gegangen oder gestrichen worden. Die Zentralbank geht davon aus, dass die Wirtschaft in diesem Jahr zwischen 2,9 und 3,9 Prozent schrumpfen wird. Die Überweisungen von den im Ausland lebenden Honduranern an ihre Familien sind ebenfalls zurückgegangen. Im Jahr 2019 machten sie noch rund 20 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus.

Die ehemalige Vorsitzende des COHEP, Juliette Handal, kritisierte indes die Unternehmen scharf, die Druck auf die Regierung ausübten. Die Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen würden große Opfer aufbringen. Nun müssten sie zudem auch die Kosten der Hygieneschutzmaßnahmen tragen und für den Transport ihrer Mitarbeiter sorgen.

Die Lungenspezialistin Dr. Suyapa Sosa aus dem Klinikum für Lungen- und Herzkreislauferkrankungen in Tegucigalpa warnt vor den Folgen der Öffnung: Wenn das Virus mit einer anderen Kraft zu zirkulieren beginne, würde man in zwei, drei Wochen sehen, wie klug diese gewesen sein wird. Des Weiteren kritisierte sie die unzureichenden Tests: mehr als 3.700 Corona-Tests warteten teilweise länger als 14 Tage auf ihre Analyse. Dadurch komme es zu negativen Ergebnissen, da das Virus in der Regel nur zehn Tage überlebt.

Auch andere Ärzte warnen vor der Öffnung, denn die staatlichen Krankenhäuser seien jetzt schon überlastet. Neben Covid-19 wurde im Februar 2020 von der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation ein weiterer Anstieg der Dengue-Fälle prognostiziert. Schwere Verläufe dieses Fiebers können zum Tode führen.

Der Direktor des größten öffentlichen Krankenhauses in Tegucigalpa, Dr. Osmin Tovar, wurde am Dienstag entlassen, da er wiederholt das Krisenmanagement unter Präsident Hernández in der Corona-Pandemie kritisierte und die prekäre Situation der Versorgung der Infizierten schilderte.

Die Regierung verhängte seit Mitte März eine landesweite Ausgangssperre und schloss Schulen, Geschäfte, Fabriken und behördliche Einrichtungen. Bisher wurden in dem mittelamerikanischen Land 7.669 Corona-Infizierte registriert, 294 Menschen verstarben mit oder an dem Virus. Die Anzahl der im Juni täglich durchgeführten Tests soll zwischen 500 und 600 liegen.

Im öffentlichen Gesundheitswesen, das auch vor der Pandemie schon unzureichend ausgestattet war, fehlt es an Hygieneschutzausrüstungen für das medizinische Personal, an intensivmedizinischen Betten und Gerätschaften. Durch das Ausbleiben der Einkommen und die Preiserhöhungen für Lebensmittel kam es in den letzten Wochen vielerorts zu Hungerprotesten der verarmten Bevölkerung. Staatliche bewaffnete Kräfte lösten sie zum Teil unter Einsatz von Tränengas auf.

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