„Der Druck auf Adidas muss noch stärker werden ...“

Unabhängiges Monitoring beim salvadorianischen Zulieferer Formosa Textil

[sd] Die europäische Clean Clothes Campaign (CCC) versucht, Multis der Textil- und Sportswear-Branche zur Unterzeichnung von Verhaltenscodes in bezug auf Arbeitsrechte (vgl. Artikel "Die Fallstricke von Verhaltenskodizes der Unternehmen") zu bewegen. Derzeit steht die Kampagne in Verhandlungen mit dem Sportbekleidungskonzern Adidas über ein Monitoring bei dessen salvadorianischem Zulieferer Formosa Textil. Nachdem die skandalösen Arbeitsbedingungen dort in der bundesdeutschen Öffentlichkeit bekannt wurden, sah Adidas sich gezwungen, einen Verhaltenskodex zu formulieren. Wir sprachen mit Thomas Krämer von der deutschen Sektion der CCC über die Überprüfung der Umsetzung dieses Codes.

Seit ca. zwei Jahren arbeitet Ihr zu den Arbeitsbedingungen bei Zulieferern von Adidas, insbesondere in der Maquila Formosa Textil in El Salvador. Wie ist Deine Bilanz nach dieser Zeit?

Der Fall Adidas hat gezeigt, dass es möglich ist, Arbeitsbedingungen in den Maquilas durch öffentlichen Druck auf die Konzerne zu verbessern. Allerdings muss der öffentliche Druck ziemlich groß sein: Erst nach bundesweiten Fernsehsendungen sowie Tausenden von Protestschreiben war Adidas überhaupt gesprächsbereit.

In welcher Weise haben sich die Arbeitsbedingungen konkret verbessert?

Die Behandlung der Arbeiterinnen durch die Vorarbeiter hat sich mittlerweile deutlich verbessert. Der Hauptkritikpunkt der Frauen war es, dass sie von den Vorarbeitern gedemütigt, sexuell belästigt und massiv unter Druck gesetzt wurden. Einige dieser Vorarbeiter sind tatsächlich entlassen, andere sind versetzt worden. Obwohl nach wie vor einzelne Vorkommnisse bekannt geworden sind, hat sich das Klima insgesamt deutlich verbessert.

Es gibt weniger Überstunden als früher. Allerdings kann das auch damit zusammenhängen, dass die Auftragslage nicht mehr so gut war wie noch 1998, das kann man noch nicht eindeutig bewerten.

Ein dritter Punkt sind die Entlassungen wegen Schwangerschaft. Die sind seitdem nicht mehr bekannt geworden. Augenscheinlich gibt es auch Schwangere, die im Betrieb arbeiten.

Welche Organisation hat das Monitoring bei Formosa durchgeführt?

Unser erstes Ziel war es, dass Adidas nach bekannt werden der skandalösen Arbeitsbedingungen auf keinen Fall die Verbindung zu Formosa Textil abbricht, um sich der Verantwortung zu entziehen, sondern sich dafür einsetzt, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Deshalb haben wir vorgeschlagen, ein unabhängiges Monitoring durchzuführen, und zwar durch die Organisation GMIES in El Salvador [Gruppe für unabhängiges Monitoring in El Salvador, vgl. Artikel "Die Fallstricke von Verhaltenskodizes der Unternehmen", sd]. Das hat Adidas abgelehnt, und statt dessen die externe Monitoring-Organisation Verité aus den USA beauftragt.

Was waren die Gründe für Adidas, nicht mit GMIES zusammenzuarbeiten?

Ganz klar ist das nie geworden. Adidas hat das offiziell damit begründet, dass Formosa Textil dazu nicht bereit wäre. Das ist möglich, da bei GMIES eine gewisse Gewerkschafts- und NGO- Nähe besteht. Verité dagegen ist ein Unternehmen, das mit Monitoring Geld verdient. Die haben keinen schlechten Ruf, sind aber nicht politisch oder sozial engagiert.

Wie beurteilt Ihr die Überprüfung durch Verité?

Verité hatte in El Salvador keine Kontakte, keine Kenntnisse der Arbeitsgesetzgebung und war nur drei bis vier Tage für die Überprüfung im Land. Vor diesem Hintergrund muss man allerdings zugeben, dass sie sehr gute Arbeit geleistet haben. Sie haben versucht, mit allen Organisationen vor Ort Kontakt aufzunehmen, haben Gespräche mit den Arbeiterinnen geführt, und haben einen sehr kritischen Bericht formuliert.

Trotzdem haben wir gesagt, das ist uns nicht genug. Sie haben zwar Verbesserungsvorschläge gemacht und auch gesagt, es muss Folgeaktivitäten geben, aber dergleichen ist zunächst nicht vereinbart worden.

Wie ist Eure Strategie jetzt im Moment? Versucht Ihr weiterhin, ein Monitoring durch GMIES durchzusetzen?

Wir haben gefordert, dass ein Monitoring durch eine Organisation stattfinden muss, die Kenntnisse von der Situation vor Ort hat und intensive Kontakte zu den Gewerkschaften und sozialen Organisationen aufnimmt. Da bietet sich in El Salvador Idealerweise GMIES an. Ende letzten Jahres gab es eine gewisse Wende in dieser Auseinandersetzung. Der konzernverantwortliche Direktor für soziale und Umweltfragen bei Adidas – übrigens wurde diese Stelle Anfang letzten Jahres neu geschaffen und mit einem ehemaligen Mitarbeiter einer britischen Kinderrechts-NGO besetzt – hat der CCC vorgeschlagen, gemeinsam in El Salvador Formosa Textil und andere Fabriken zu besichtigen und mit GMIES zu überlegen, wie GMIES ein Monitoring dort durchführen kann.

Wir waren da zunächst skeptisch, ob sich es sich nur um einen PR-Gag handelt. Die Kampagne hat nach einer ersten Entscheidung, verhalten bis ablehnend zu reagieren, nun aber ihre Meinung geändert: Wenn Adidas verbindlich versichert, dass sie in El Salvador in erster Linie über die Einführung eines Monitoring durch GMIES sprechen und auch zu einer Vereinbarung kommen wollen, sind wir zu so einer Reise bereit. Es finden im März 2000 vorbereitende Gespräche statt. Sind die erfolgreich, kommt es im April zu diesen Besuchen und Gesprächen.

Woher kommt Eurer Meinung nach dieser plötzliche Sinneswandel bei Adidas?

Unsere Vermutung ist es, dass es an den Aktionen liegt, die wir für dieses Jahr geplant haben. Wir haben Adidas im Vorfeld angedeutet, dass die Art und Weise, wie wir über sie berichten, auch davon abhängt, welche Schritte sie in die von uns gewünschte Richtung unternehmen. Wenn außer schönen Worten nichts passiert, werden wir entsprechend kritisch in der Öffentlichkeit über sie berichten. Wenn es positive Dinge zu berichten gäbe, würden wir die auch erwähnen. Die Sorge um ein schlechtes Image gerade in Zusammenhang mit der Fußball-EM und den Olympischen Spielen in diesem Sommer haben sie vermutlich zu diesem Schritt bewogen. Dieser einzelne Fall in El Salvador wird sie weder politisch noch finanziell viel kosten. Da können sie ohne weiteres an so einem kleinen Punkt mal nachgeben, ohne dass sie ihre Unternehmenspolitik im Grundsatz verändern.

Im Moment scheint der öffentlichen Druck nicht groß genug zu sein, damit Adidas sich an unseren grundsätzlichen Lösungsvorschlägen beteiligt. Aber wenn der Druck sich verstärkt, und sie tatsächlich mit Umsatzverlusten rechnen müssen, dann werden sie weitere Zugeständnisse machen. Wir haben es im Sportswear-Bereich mit Unternehmen zu tun, die weniger konkrete Produkte mit Gebrauchswert als ein Image verkaufen. Sie sind sehr empfindlich dafür, wenn dieses Image angekratzt wird.

Konkret zum Monitoring bei Formosa in El Salvador. Auf welche Weise sind die ArbeiterInnen heute in den Monitoring-Prozess eingebunden: Ist der Adidas-Kodex unter den Arbeiterinnen bekannt, haben sie die Möglichkeit, sich mit Beschwerden an die Prüfungsorganisation zu wenden? Und was sind diesbezüglich Eure Forderungen an Adidas?

Klare Kriterien sind bisher noch nicht festgelegt worden - weder kampagnenintern noch mit Adidas. Es gibt einen Vorschlag von GMIES an Adidas für ein befristetes Monitoring von einem halben Jahr. Das unterscheidet sich schon deutlich von dem Monitoring, das GMIES bei Mandarin in El Salvador durchgeführt hat [vgl. Artikel "Die Fallstricke von Verhaltenskodizes der Unternehmen", sd]. Dort handelt es sich um ein permanentes Monitoring, unbefristet und mit wöchentlichen Besuchen durch GMIES vor Ort in der Fabrik verbunden. Da hat GMIES eher eine Mittlerrolle zwischen den beiden Gewerkschaften und der Unternehmensseite.

An so einer Art von Monitoring hat Adidas wohl kein Interesse. Ich persönlich halte das auch aus der Sicht der Kampagne nicht für sinnvoll, denn ich verbinde damit die Hoffnung, dass das ein Pilotfall sein könnte, der letztlich übertragbar ist auf alle Zulieferer von Adidas. Das Monitoring muss umfassend genug sein, um Missstände aufzudecken, aber gleichzeitig ein praktikables Verfahren sein, das auf Tausende von Zulieferern von Adidas übertragbar ist. Der Vorschlag von GMIES umfasst drei angekündigte und zusätzlich unangekündigte Besuche in der Fabrik, Gespräche mit den Arbeiterinnen außerhalb der Fabrik und die Einbeziehung von NGOs und Gewerkschaften vor Ort. Das ist schon mal ein sinnvoller Ansatz, muss aber mit einem follow-up verbunden sein, d. h. man muss von vorneherein festlegen, was passiert mit den Ergebnissen, wie werden die Forderungen umgesetzt, und wie wird ihre Einhaltung kontrolliert. Ein anderer Punkt ist uns als Kampagne wichtig: Es soll nicht nur ein bilaterales Abkommen zwischen Adidas und GMIES sein, sondern die Berichtspflicht soll auch gegenüber der Kampagne bestehen.

Bei Formosa gibt es – im Unterschied zum Fall Mandarin - keine organisierte Arbeiterschaft, d. h. man kann die jeweiligen Frauen nur direkt ansprechen, und das macht die Sache natürlich nicht sehr einfach. Aber es wäre sicherlich auch eine Überfrachtung für so ein befristetes Monitoring, die Formierung einer Interessensvertretung anzuregen, zumal die dann von außen aufgesetzt wäre, was problematisch ist.

Ist es vorgesehen, dass die ArbeiterInnen informiert werden, dass es da eine Überprüfung gibt, so dass sie aufgrund dieses Wissens aktiv versuchen könnten, sich in den Prozess einzuschalten?

Da muss ich wieder sagen, dass wir dafür keine Kriterien festgeschrieben haben, aber mir scheint das eine sinnvolle Forderung zu sein. Im Adidas-Kodex ist festgeschrieben, dass allen Beschäftigten der Kodex bekannt gemacht werden muss. Aber nach den letzten Informationen, die wir erhalten haben, ist der Kodex den Arbeiterinnen noch nicht bekannt, er ist momentan noch nicht einmal ins Spanische übersetzt. Allerdings würde das auch nicht ausreichen, sondern es müsste zusätzlich einen Kontakt geben, an den sich die Frauen in vertraulicher Atmosphäre mit ihren Anliegen wenden könnten. Ich glaube auch, dass man so was vereinbaren könnte.

Plant Ihr weitere öffentlichkeitswirksame Aktionen, um Druck auf Adidas zu machen?

Die Kampagne „Fit For Fair“, unsere zentrale Aktion im Jahr 2000 u.a. anlässlich der Fußball- EM, ist gerade angelaufen. Wir wollen damit insbesondere Jugendliche anzusprechen. Das ist wieder Ausdruck unserer doppelten Strategie: Einerseits öffentlichen Druck zu mobilisieren, andererseits Verhandlungen führen. Das ist manchmal ein Balanceakt, aber bisher sind wir da noch nicht wirklich in Schwierigkeiten gekommen, da keine große Verhandlungsbereitschaft bei einem Unternehmen gegeben war. Bei Adidas ist das jetzt erstmals der Fall - wobei die Kampagne sich durch solch ein Verhandlungsangebot in ihren öffentlichen Aktionen nicht behindern lassen wird. Wir werden natürlich neue Fälle weiterhin publik machen, auch wenn wir in diesem konkreten Fall in konstruktiven Gesprächen stehen.

Unser Eindruck ist: Der Anfang so einer Arbeit, wie Ihr sie zu Adidas macht, ist noch relativ ‚einfach‘: Dass Missstände bei den Adidas-Zulieferern herrschen, ist verhältnismäßig gut vermittelbar. In dem Moment, wo der Konzern dann reagiert, geht’s um Details: Beispiel: Adidas sagt: Wir haben eine Klinik gebaut. Ihr sagt: diese Klinik bringt nichts, wenn die Frauen in der Arbeitszeit nicht hingehen können – das ist schon wieder ein Detail mehr, und Details sind immer schwerer vermittelbar als plakative Aussagen. Habt Ihr da mit Eurer Öffentlichkeitsarbeit gegen so einen Konzern überhaupt eine Chance?

Die Gefahr der Verzettelung im Detail ist da, deshalb versuchen wir, uns nach Möglichkeit auf diese Ebene gar nicht einzulassen. Unsere Forderung ist stets: unabhängige Kontrolle vor Ort, und darüber muss dann auch die Beseitigung der Missstände sichergestellt sein. Aber es kann nicht unsere Rolle sein, mit Adidas auszuhandeln, ob die Frauen jetzt tatsächlich zwei oder drei mal auf Toilette gehen dürfen, sondern wir verhandeln mit Adidas darüber, dass sie in einen Prozess der unabhängigen Kontrolle der Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern eintreten. Das ist es auch, was wir in unserer Öffentlichkeitsarbeit in den Vordergrund stellen.

Was sind Eure Vorstellungen für ein idealtypisches Monitoring? Ihr plant die Gründung einer Stiftung, die das Maquila-Monitoring koordinieren soll. Wie soll die Zusammensetzung, Finanzierung und Entscheidungsstruktur sein? Konkret: Welche NGOs im Norden und im Süden werden Mitglieder sein?

Grundsätzlich ist vorgesehen, dass eine Stiftung gegründet werden soll, die getragen wird einerseits von Unternehmen und andererseits von NGOs und Gewerkschaften, und die Aufträge an Überprüfungsorganisationen erteilt, in bestimmten Abständen die Zulieferer der Unternehmen zu kontrollieren. So weit sind wir aber noch lange nicht.

Es gibt es noch keine klaren Kriterien, wie genau die NGOs ausgewählt werden sollen, die in der Stiftung Mitglied sein werden.

März 2000

 

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