Kolumbien

Aktivitäten des Münchner Arbeitskreises für Menschenrechte in Kolumbien

2016 organisierte der Arbeitskreis für Menschenrechte in Kolumbien insgesamt zwölf Veranstaltungen. Das Ziel war, über die Lage bezüglich der Menschenrechte und speziell des Friedensprozesses in Kolumbien zu informieren, um in München das Bewusstsein für die soziale Lage und die Umweltprobleme zu fördern. Dabei setzte der Arbeitskreis seine Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Organisationen wie Aluna Minga, kolko e.V. und dem Nord-Süd-Forum fort.

Gewerkschaftsprotest gegen Privatisierung

Der ersten Veranstaltung am 24. Januar gaben wir den Titel No se hace un país diferente con gente indiferente (Man schafft kein neues Land mit uninteressierten Leuten). Sie diente der Unterstützung des Streiks und der Mobilisierung der Menschen in Kolumbien für einen Protest gegen die Privatisierung des größten Energieunternehmens im Land, ISAGEN, und für die gleichzeitige Forderung einer Erhöhung des Mindestlohns(1). Trotz des eisigen Wetters nahmen ungefähr 30 Kolumbianer*innen, die in München leben, an der Veranstaltung im Stadtzentrum teil. Außerdem informierten sich viele deutsche und ausländische Passant*innen über die Situation in Kolumbien.

2016 wollten wir mittels kultureller Aktivitäten ein anderes Publikum erreichen. In diesen Veranstaltungen wollten wir auch die Probleme speziell der indigenen Gemeinden zeigen. Das Hauptprojekt war dabei eine Reihe mit Filmen, die sich auf den Kolonialismus bezogen. Diese Reihe startete am 21. April mit dem für einen Oscar nominierten Film El Abrazo de la Serpiente von Ciro Guerra(2). Der Arbeitskreis und Aluna Minga führten in den Film ein und moderierten das anschließende Filmgespräch.

Gutes Leben: Raus aus der Steinkohle!

Als nächstes zeigten wir am 17. Mai in Anwesenheit des Regisseurs Jens Schanze den Dokumentarfilm La Buena Vida(3). Dieser Film handelt von der tristen Wirklichkeit der Kohleförderung in Kolumbien. Im Anschluss an den Film beantwortete Jens Schanze die Fragen des Publikums. Bei dieser Veranstaltung waren auch die Leiter*innen der Kampagne „Raus aus der Steinkohle“(4)anwesend, die von der Stadt München fordert, keine Steinkohle mehr für ihre Energie- und Fernwärmegewinnung zu verwenden. Diese Steinkohle kommt teilweise aus Kolumbien. Des Weiteren nahmen Vertreter*innen von Amnesty International München an der Veranstaltung teil. Sie forderten die Teilnehmer*innen auf, sich in eine Unterschriftenliste für eine Petition an die kolumbianische Regierung einzutragen, in der der Stopp der Umleitung des Flusses Ranchería gefordert wird, da nun auf Grund der Umleitung des Flusses viele Mitglieder der Wayúu ohne Wasser leben.

Das kulturelle Erbe im Zementwerk zerklopft

Am 16. Juni zeigten wir den Dokumentarfilm La Selva Inflada(5) in Anwesenheit des Regisseurs, Alejandro Naranjo, und am 14. Juli den Dokumentarfilmklassiker Nuestra voz de tierra, memoria y futuro (Unsere Stimme aus Erde, Erinnerung und Zukunft) von Jorge Silva und Marta Rodríguez.

Der erste Dokumentarfilm befasst sich mit der Situation der indigenen Bevölkerung im Departement Vaupés, wo viele Jugendliche Selbstmord begehen. Die Jugendlichen besuchen in der Stadt, weit weg von ihren Gemeinschaften, die Schule. Dort verfallen sie dann in Depression, weil sie feststellen, dass sie „arm“ sind und es nur wenig Möglichkeiten gibt, zu arbeiten und das nötige Geld zu verdienen. Viele arbeiten in einer Zementfabrik, wo sie Steine klein klopfen, die von alten Weihestätten ihrer Gemeinschaften stammen. Der zweite Film handelt vom Kampf der indigenen Bauern und Bäuerinnen im Departement Cauca für die Wiedererlangung ihres Landes. Der Film spiegelt in kleinem Maßstab die generelle Geschichte Lateinamerikas seit der Kolonisierung wider. Heute gehört dieses Land Großgrundbesitzer*innen und Viehzüchter*innen, die wiederum die Nachfahren der Kolonisator*innen sind. Die indigene Bevölkerung arbeitet auf diesen Ländereien in einem neofeudalen und neokolonialen System. Dazu leben sie als Vertriebene an Orten ohne die Grundvoraussetzungen für ein Überleben.

Neuer Roman über Landraub durch Paramilitärs

Nach dem Ende der Filmreihe konzentrierte sich der Arbeitskreis auf das vorherrschende Thema des Jahres, die Gespräche und das Friedensabkommen zwischen der FARC und der kolumbianischen Regierung. Das Thema polarisierte die kolumbianische Bevölkerung wegen der Kampagnen von extrem rechten Politiker*innen und Parteien(6) gegen das Friedensabkommen. Am 2. Juni fand die Veranstaltung „Friedensabkommen in Kolumbien“ mit Alexandra Huck, der Koordinatorin von kolko e.V. – Menschenrechte für Kolumbien(7), statt. Es wurden das Für und Wider des Friedensabkommens und die Gründe, warum es für Kolumbien nötig ist, diskutiert. Alexandra Huck präsentierte am 3. Juni ihr Buch Marielas Traum (El sueño de Mariela). Der Roman handelt vom Landraub durch paramilitärische Gruppen und der Vertreibung der bäuerlichen Bevölkerung, der afrodescendientes (Nachfahr*innen von Versklavten aus Afrika) und der indigenen Bevölkerung in Kolumbien.

Kolumbiens Kohle – Deutschlands Doppelmoral

Da der Bergbau, und speziell die Steinkohleförderung, in Kolumbien zu den großen Verursachern der Konflikte und der Gewalt in Kolumbien gehört(8), diskutierten Alejandro Pacheco vom AK Kolumbien und Öku-Büro-Vorstand Eberhard Albrecht auf Einladung der Münchner Volkshochschule im Gasteig über „Kolumbiens Kohle – Deutschlands Doppelmoral“. Die Referent*innen informierten über die Ergebnisse der Untersuchungen über die Auswirkungen des Kohlebergbaus, speziell in Cerrejón, Guajira. Diesen Untersuchungen zufolge starben dort in den letzten Jahren über 5.000 Kinder der indigenen Gemeinschaften der Wayúu wegen der Wasserknappheit und der kontaminierten Quellen.

Solidarität mit politischen Gefangenen

Am 21. Juli fand dann mit Unterstützung des Nord-Süd-Forums die Konferenz „Politische Gefangene und Konflikt in Kolumbien“ statt. Ziel der Veranstaltung war, den Münchner*innen die Geschichte der vielen Menschen näherzubringen, die aus politischen Gründen und in vielen Fällen unschuldig im Gefängnis sitzen. Eingeladen waren die Rechtsanwält*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen Álvaro Giraldo und Katherine Rendón Fernández, die als Freiwillige der Sektion Valle des Solidaritätskomitees mit politischen Gefangenen (Fundación Comité de Solidaridad con Presos Políticos) den Gefangenen juristische Hilfe und menschlichen Beistand geben. Beide zeigten, wie die willkürlichen Verhaftungen, die Kriminalisierung von sozialen Protesten, das Verschwindenlassen von Personen und die Angriffe auf Organisationen zur Verteidigung der Menschenrechte in Kolumbien Teil des täglichen Lebens geworden sind. Auch nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens kann man sagen, dass sich die Situation nicht verbessert hat und dass die paramilitärischen Gruppen wieder stärker geworden sind(9).

Der Fall Chevron-Texaco

Der Arbeitskreis unterstützt weiterhin indigene Gemeinden an der Grenze zwischen Ecuador und Kolumbien in ihrem Bemühen, den multinationalen Konzern Chevron-Texaco wegen der Verseuchung von Boden und Umwelt mit Erdöl im Amazonasgebiet anzuklagen. In Zusammenarbeit mit Pro Regenwald und der internationalen Gruppe von Amnesty International in München veranstaltete der Arbeitskreis am 30. Juli den zweisprachigen Kulturabend El Espiritu de Lago Agrio (Der Geist von Lago Agrio). Während eines entspannten Sommerabends gab es eine Lesung mit Gedichten auf Spanisch und Deutsch zum Thema Umweltschutz, die Bedeutung der Urwälder und die Geschichte des schädlichen Einflusses der Erdölförderung auf die einheimische Bevölkerung und die dortigen Ökosysteme.

Kundgebungen für das Friedensabkommen

Das Jahr endete mit zwei Kundgebungen im September und Oktober. Das Ziel der ersten Kundgebung war, die im Ausland lebenden Kolumbianer*innen zu informieren und aufzufordern, beim Volksentscheid über die Unterschrift unter das Friedensabkommen in Kolumbien mit Ja zu stimmen. Wegen der bereits erwähnten Kampagne gegen das Friedensabkommen zwischen der FARC und der Regierung war die zweite Kundgebung ein Protest gegen die Ergebnisse und sollte mittels Druck durch die Medien und Information zur Verwirklichung des Abkommens beitragen. Über diese Kundgebungen wurde in verschiedenen Medien und Netzen berichtet. Das Friedensabkommen wurde schließlich am 24. November 2016 unterzeichnet. Trotz vieler Zweifel hinsichtlich der Unterzeichnung des Abkommens und der weiterhin gespaltenen Bevölkerung sind wir der Meinung, dass es ein großer Fortschritt bei der Suche nach Frieden in Kolumbien ist, der der Widerstandsbewegung Legitimität verleiht und diese nun ihre Ideen in einer legalen Atmosphäre und auf politische Art und Weise einbringen kann. Für uns ist klar, dass es besser ist, den Kampf auf diese Weise fortzusetzen als mit Waffen. 2017 werden wir weiter über den Fortschritt in diesem Prozess berichten und unsere investigative, informative und kulturelle Arbeit fortsetzen.

 

(1) Siehe zum Beispiel https://amerika21.de/2016/01/140777/mindestlohn-kolumbien
(2) https://es.wikipedia.org/wiki/El_abrazo_de_la_serpiente
(3) http://www.dasguteleben-film.de
(4) http://www.raus-aus-der-steinkohle.de/
(5) http://www.laselvainflada.com
(6) https://amerika21.de/2016/10/162120/vorschlaege-uribe-friedensvertr
(7) http://www.kolko.de
(8) https://www.rosalux.de/publication/42206/raus-aus-der-steinkohle-der-fall-kolumbien.html
(9) Siehe zum Beispiel:  https://amerika21.de/2017/01/167719/kolumbien-morde-aktivisten

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