BUKO-Kongress 35 in München



„Ich wollte nicht einschlafen, weil ich wusste, dass ich am nächsten Morgen nicht mehr so glücklich sein würde.“
 
Mexiko-Referent Daniel Tapia


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Puren Enthusiasmus hat der BUKO-Kongress 35 bei den Mitarbeiter_innen des Ökumenischen Büros hinterlassen. Obige Äußerung beschreibt das Hochgefühl, das nach vier Tagen Kongress mit 350 Teilnehmer_innen, über 70 Veranstaltungen und Referent_innen aus einem Dutzend Ländern bei Teilen der übernächtigten Orga-Gruppe eingetreten war.

Der Kongress, der vom 9.-12. Mai  im Münchner Eine-Welt-Haus stattfand, stand unter dem Motto:
„¡deserta! verweigern, widersetzen, revoltieren“. Schön und bewegend war’s – trotz Dauerregen. Bei vielen Veranstaltungen standen der transnationale Austausch und die Vernetzung im Vordergrund: sei es bei dem gemeinsamen Workshop mit Vertreter_innen von Projekten gegen Zwangsräumungen aus Berlin und Barcelona oder bei der Disco International mit internationalen Aktivist_innen unter anderem aus Griechenland und Tunesien.

Beginnen wir von vorne: Als die Auflage Nummer 34 des BUKO-Kongresses in Erfurt noch im Gange war, unterhielten sich zwei Mitarbeiter des Büros über die Eindrücke aus den verschiedenen Workshops. Kurz darauf war klar: „Wir holen den BUKO 35 nach München“. Der Weg dahin war weit: Zwar waren die BUKO-Jahresversammlung und später das Plenum des Ökumenischen Büros schnell zu begeistern und ein Vorbereitungsbündnis aus zahlreichen Münchner Gruppen schnell beisammen. Aber einen Kongress zu organisieren ist vor allem sehr viel Arbeit.
In zehn lokalen Abendtreffen und sechs bundesweiten Vorbereitungswochenenden trugen haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter_innen des Büros maßgeblich zur Gestaltung des Kongress bei.
Auch während des Kongresses selbst übernahmen Mitglieder des Öku-Büros verschiedene organisatorische und logistische Aufgaben wie Raumvergabe und Technik, Support für Workshops und Scouting für die Kochkollektive.

Kochkollektive

Auf dem Vorplatz des EineWeltHaus hatten die Kochkollektive ihre Zelte aufgebaut

 

Drei rote Fäden zogen sich durch das Programm: Antirassismus, Antimilitarismus und Ressourcenkämpfe. Neben Vorträgen und Diskussionen fanden auch praktische Workshops statt. Besonderen Andrang hatten dabei, trotz des schlechten Wetters, die Stadtrundgänge. So machten sich einige auf die Suche nach Spuren der kolonialen Vergangenheit Münchens. Andere nahmen an einem antimilitaristischen Stadtspaziergang teil, der fast schon den Charakter einer Spontandemo hatte. Wieder andere gingen zur Lesung am Königsplatz anlässlich des Jahrestages der Bücherverbrennungen, nahmen an einem Rundgang über die KZ-Gedenkstätte Dachau teil oder informierten sich auf einem Rundgang über die politische Geschichte Münchens.

Wer sich auf dem Track Antirassismus bewegte, wurde mit der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit und den postkolonialen Strukturen der Gegenwart konfrontiert. Schon am ersten Tag eröffnete Aram Ziai den Track mit einem Crashkurs zu postkolonialer Theorie. Gut gelungen stellte Ziai dar, wie sich die Selbstgewissheit des durch koloniale Ausbeutung erlangten Wissens dekonstruieren lässt. Wenn der chinesische Admiral und Seefahrer Zengh He Anfang des 15. Jahrhunderts seine Reisen durch den Pazifik ausgedehnt hätte, wäre er vielleicht auf die Halbinsel getroffen, die wir heute Europa nennen. Sie wäre dann vielleicht nach ihm als Zhengistan benannt worden, so wie Amerika nach dem italienischen Seefahrer Amerigo Vespucci. Wenn Landkarten gedreht sind, Europa nicht in der Mitte sondern am Rand liegt, die Darstellung flächentreu statt winkeltreu gewählt ist, verändert sich schon der Blick auf die Welt und das Wissen über sie. In diesem Sinne: Willkommen in Zhengistan!

Neben dem spannenden Workshop-Programm führte leider ausgerechnet die zentrale Podiumsdiskussion im Freiheiz zu allgemeiner Enttäuschung. Vielleicht war es schon die thematische Rahmung, die hier zu einer Verweigerung der Podiumsgäste führte, tatsächlich über die derzeitig erlebten Krisenproteste und anhaltenden Auseinandersetzungen in Nordafrika zu diskutieren. Die vom französischen „Unsichtbaren Kommitee“ formulierte Analyse im 2007 erschienenen Buch „Der kommende Aufstand“, dass es zu neuen und neuartigen permanenten Zyklen der sozialen Kämpfe kommen werde, sollte von Aktivist_innen der autonomen und anarchistischen Bewegungen Griechenlands, Spaniens, Frankreichs und Tunesiens diskutiert werden. Obwohl schnell klar wurde, dass das Manifest des „Unsichtbaren Komitees“ in keinem der sozialen Kämpfe eine besondere Beachtung gefunden hatte, hielt die Moderatorin an dem thematischen Rahmen fest, so dass manchem Podiumsgast nichts anders übrig blieb, als verständnislos mit den Achseln zu zucken.Dadurch
erfuhr das Publikum in der überfüllten Freiheiz-Halle wenig bis nichts über die unterschiedlichen Einschätzungen aus den Krisenprotesten in Spanien, Griechenland und Frankreich sowie der postrevolutionären Bewegung in Tunesien. So ging von der Podiumsdiskussion kein Impuls für eine internationalistische Perspektive der sozialen Bewegungen in Europa und Nordafrika aus. Um so deutlicher wurde, dass die internationale Vernetzung der Kämpfe und eine Debatte darüber, wie ein neuer Internationalismus jenseits der etablierten Institutionen aussehen könnte, in Zukunft noch intensiviert werden müssen.

Struktur?

Die inhaltliche Struktur festzulegen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben bei der Vorbereitung

 

Auf Initiative des Öku-Büros fanden folgende Workshops statt:  Mit dem guatemaltekischen Rapper Nim Alae wurde diskutiert, wie Kunst widerständig werden kann. Er berichtete von seinen Erfahrungen, wie sich die Jugend Guatemalas durch die Kunst politisch einbringt. Zwei Teilnehmerinnen der Journalist_innendelegation Honduras 2012 stellten ihren Film „Wo der Tod Teil der Landschaft ist“ über die Indigenen-Organisation COPINH vor. Einen weiteren Film zeigte der nicaraguanisch-italienische Journalist Giorgio Trucchi: „Grito por la Tierra“ handelt vom Widerstand der Kleinbauernfamilien in Bajo Aguan, Honduras, gegen Großgrundbesitzer in der Palmölproduktion. Auf Einladung des Öku-Büros präsentierte die FIAN-Ortsgruppe München einen Workshop mit Marlies Olberz zum weltweiten Landgrabbing.
Die Abschlussdiskussion am Sonntag Vormittag verknüpfte die drei Stränge Migration/Rassismus, Internationalismus, Militarisierung. Sie drehte sich um die Frage, wie Internationalismus gedacht werden muss, wenn die compañer@s im Süden eine militärische Intervention befürworten, wie im Falle von Syrien und Mali geschehen.
Ein voller Erfolg war das vielfältige Kulturprogramm, das vom Ökumenischen Büro koordiniert wurde. Los ging’s am Donnerstag Abend mit der Vorführung des Films „La Isla“ über die Geheimarchive der guatemaltekischen Nationalpolizei aus der Zeit des Bürgerkriegs. Bei der anschließenden Diskussion stand der Protagonist des Films, Lucio Yaxón Guarax a.k.a. Nim Alae, Rede und Antwort. Am Samstag stand dann eine Buchvorstellung der venezolanischen Kooperative Cecosesola auf dem Programm. Getanzt wurde auch – am Freitag im Anschluss an die Podiumsdiskussion mit DJ Garbanzis, am Samstag im Kafe Marat mit dem guatemaltekischen Rapper Nim Alae als Live-Act und Brittinha, Skrupper und dem dept. of volxvergnuegen an den Plattentellern.

Ein ganz besonderer Dank gilt allen, die den Kongress möglich gemacht haben – insbesondere den Kochkollektiven Maulwurf und Le Sabot, die für das leibliche Wohl sorgten, Nicole, für die München der letzte Kongress als Hauptamtliche im Hamburger Buko-Büro war und dem wunderbaren Übersetzer_innen-Team.

Auch beim Nachbereitungstreffen am 12. und 13. Juni war das Ökumenische Büro wieder Gastgeber, eine angenehme Aufgabe, denn es gab ein sehr positives Feedback für die Vorbereitungsgruppe und den gesamten Kongress.

 

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