Jahresbericht 2008:

Das Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit Zentralamerika

Ein Thema, das ganz Zentralamerika betrifft und außerdem sehr direkt mit uns in Europa zusammen hängt, beansprucht natürlich auch die Aufmerksamkeit und das Engagement des Ökumenischen Büros. Solch ein Thema ist im Augenblick das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und Zentralamerika (ZA).

Was ist das Assoziierungsabkommen?

Seit Oktober 2007 verhandeln die EU, vertreten durch die Europäische Kommission, und die zentralamerikanischen Staaten Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama (als Beobachter) über ein Assoziierungsabkommen zwischen den beiden Regionen. In der Sprache der EU-Bürokratie stützt sich ein solches Abkommen auf „drei Säulen“: Politischer Dialog, Zusammenarbeit und ein Freihandelsabkommen. Bisher hat es fünf Verhandlungsrunden gegeben, von denen die letzte in der zweiten Oktoberwoche 2008 in Guatemala stattfand. Zehn Treffen sind geplant und beide Partner streben ein Ende der Verhandlungen für Mitte 2009 an.

Informationen zum bisherigen Verhandlungsverlauf gibt es wenige. Die offiziellen Kommuniqués sind inhaltlich dürftig und in der europäischen Presse ist das Interesse sehr gering. Die offiziell vorhandene Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Verhandlungen ist völlig inakzeptabel. Für sie werden während der Verhandlungsrunden, ähnlich wie bei DR-CAFTA (Freihandelsabkommen zwischen USA, Zentralamerika und Dominikanischer Republik), sogenannte Nebenzimmer eingerichtet. Während der Verhandlungen sollen dort zivile Organisationen Informationen aus erster Hand erhalten. Zugelassen sind aber nur ausgewählte Gruppen eines bestimmten politischen Spektrums 1 . Da es sich hier nur um Information ohne jegliche Mitwirkungsmöglichkeit handelt, lehnen die wichtigen Organisationen diese Form der Mitwirkung jedoch ab.

Trotz der unbefriedigenden Informationslage kann man schon einige Schlüsse ziehen. Ganz klar ist, dass die Dicke der drei Säulen des Abkommens sehr unterschiedlich ausfallen wird. Der Freihandelsvertrag steht eindeutig im Zentrum der Verhandlungen. Dies zeigt sich am deutlichsten an der Stärke der

Delegationen; während sich mit Politischem Dialog und Zusammenarbeit jeweils eine Verhandlungsgruppe beschäftigt, wird über den Freihandelsvertrag in zwölf Untergruppen verhandelt. Ganz offensichtlich liegt hier das Hauptinteresse der EU. Warum? Was macht den Abschluss eines Freihandelsvertrages mit ZA eigentlich so interessant für die EU?

Der Handel allein kann es kaum sein, denn der beträgt nur 0,4 % des gesamten EU-Außenhandels. Auch die Direktinvestitionen der EU-Mitgliedsländer sind in Zentralamerika in vergleichbarer Größenordnung und erreichen bei weitem nicht die Dimensionen, die sie z. B. in Brasilien oder Argentinien haben. Die direkten wirtschaftlichen Interessen allein erklären also nicht den starken Einsatz der EU für die Verhandlungen.

Aber das Interesse der EU am Zustandekommen eines Abkommens ist unverkennbar. Fortschritte bei der regionalen wirtschaftlichen Integration der zentralamerikanischen Länder, die die EU als unverzichtbare Vorbedingung für die Verhandlungen stellt, unterstützt sie großzügig. Ein Großteil der regionalen Mittel der EU für ZA im Zeitraum 2007-2013 ist für die „Stärkung des regionalen wirtschaftlichen Integrationsprozesses“ vorgesehen.

Global Europe-Strategie

Das Interesse der EU an einem Abkommen mit ZA muss man in einen größeren Rahmen einordnen. Es ist Teil der sogenannten Lissabon-Strategie, die die EU auf einer Tagung des Europäischen Rates im März 2000 festgelegt hat. Dort hat man sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2010 „die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“. Im Oktober 2006 hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften unter dem Titel „Ein wettbewerbsfähiges Europa in einer globalen Welt“ die dazu passende neue Außenhandelsstrategie veröffentlicht. Diese sogenannte Global Europe-Strategie ist die „externe Agenda“ der Lissabon- Strategie der EU. Als Kern der Strategie wird in dem Dokument das Ziel genannt, eine weitere Öffnung der Märkte der Welt zu erreichen. Ein wichtiges Mittel dazu sieht die EU in Freihandelsverträgen. Und genau darum geht es bei dem Assoziierungsabkommen mit ZA, das nicht alleine steht. Außer mit Zentralamerika führt die EU im Augenblick noch Verhandlungen mit den so genannten AKP-Staaten (78 Länder in Afrika, der Karibik und im Pazifik), mit den Ländern des Andenpaktes und mit einigen asiatischen Ländern. Die EU positioniert sich im geopolitischen Machtkampf mit den anderen großen Wirtschaftsmächten USA und den ostasiatischen Ländern. So wird auch Zentralamerika wichtig. Mit bilateralen und regionalen Freihandelsverträgen sieht die EU Chancen, bei handelspolitischen Themen wie Geistiges Eigentum, Dienstleistungen, Investitionen und Öffentliche Aufträge mehr zu erreichen als in der WTO.

Welche Auswirkungen sind zu erwarten?

- Schutz des geistigen Eigentums bedeutet zum Beispiel, dass der Patentschutz zum Nutzen der europäischen Pharmaindustrie verschärft wird und dass dadurch die Versorgung der Bevölkerung Zentralamerikas mit billigeren Medikamenten, den Generika, erschwert wird.

- Öffnung des Marktes für Dienstleistungen bedeutet z.B., dass europäische Wasserversorgungsunternehmen noch weiter in den zentralamerikanischen Wassersektor eindringen und dort „marktwirtschaftliche Preise“ durchsetzen, sprich diese lebensnotwendige Dienstleistung verteuern.

- Schutz der Investitionen kann bedeuten, dass in Zukunft europäische Konzerne das Recht bekommen, einen zentralamerikanischen Staat vor einem internationalen Schiedsgericht auf Schadenersatz wegen entgangener Gewinne zu verklagen. Denkbarer Anlass für solch eine Klage könnte sein, wenn der Staat mit gesetzlichen Regeln den sozialen Schutz von ArbeitnehmerInnnen verbessern will und damit ausländischen Unternehmen unvorhergesehe Lasten auferlegt.

- Öffnung des öffentlichen Auftragswesens für europäische Konzerne bedeutet, dass den Staaten Zentralamerikas das wirtschaftspolitische Steuerungsinstrument aus der Hand genommen wird, durch gezielte Auftragsvergabe die heimischen Unternehmen, die bisher international nicht konkurrenzfähig sind, zu unterstützen.

Beim eigentlichen Warenhandel wird das Assoziierungsabkommen das Zollpräferenzsystem GSP+ (General System of Preferences) ersetzen. Mit diesem Präferenzsystem hatte die EU bis zu einem gewissen Grade die Asymmetrie zwischen den beiden Regionen anerkannt und den zentralamerikanischen Staaten für viele Produkte zollfreien Zugang zum europäischen Markt zugestanden. Zu diesen Zugeständnissen ist die EU jetzt nicht mehr bereit. In den anstehenden Verhandlungen verlangt sie Gegenleistungen.

CAFTA-Parität

Mit der Global Europe-Strategie kopiert die EU die Strategie, die die USA in Zentralamerika mit dem Freihandelsabkommen DR-CAFTA vorgelegt haben. Auch den USA ging es vor allem um die oben genannten Themenbereiche (Geistiges Eigentum, Dienstleistungen, Investitionen und öffentliche Aufträge). Was Zentralamerika den USA zugestanden hat, das fordert die EU jetzt auch für sich. Ihr Hauptverhandlungsziel heißt CAFTA-Parität.

Engagement des Ökumenischen Büros

Seitdem die Verhandlungen zwischen den beiden Regionen im Gang sind, existiert im Ökumenischen Büro ein Arbeitskreis zu diesem Thema. Er hat sich die Aufgabe gestellt, den Verhandlungen hier in der BRD Öffentlichkeit zu verschaffen und stützt sich dabei auf zwei Dinge: Er pflegt die enge Zusammenarbeit mit Gruppen aus dem globalisierungskritischen Spektrum der Sozialen Kontinentalen Allianz (ASC Alianza Social Continental) in Zentralamerika. In der BRD ist er maßgeblich daran beteiligt, die Gruppen, die sich auch mit dem Thema beschäftigen, zu koordinieren. Die sichtbarsten Erfolge der Kampagne waren bisher eine Plakat- und Postkartenaktion sowie ein Vernetzungsseminar in Grafrath und eine bundesweite Rundreise mit dem salvadorianischen Wirtschaftswissenschaftler Raúl Moreno (siehe Seite 33).

Freihandel, gerade zwischen solch ungleichen Partnern, wie es die Europäische Union und die zentralamerikanischen Staaten sind, ist nicht dazu geeignet, die bestehenden Asymmetrien zu verringern. Er wird hingegen genau das erreichen, was die EU plant. Er wird den wirtschaftlich überlegenen europäischen Konzernen vorteilhafte Absatz- und Investitionsbedingungen verschaffen und die sowieso schon schwachen regionalen Unternehmen weiter schwächen. Das wird Arbeitsplätze kosten und die jetzt schon hohe Migration weiter verstärken. Nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema sind wir daher zu der Überzeugung gekommen, dass das Assoziierungsabkommen abzulehnen ist.


1 Sie müssen dem beratenden Ausschuss CC-SICA des zentralamerikanischen Integrationssystem SICA angehören. Die meisten Mitgliedsorganisationen von CC-SICA sind im politischen Leben der zentralamerikanischen Länder bedeutungslos.


 

(as)
Das Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit Zentralamerika
Erschienen im Jahresbericht 2008 des Ökumeninschen Büros
München
Dezember 2008

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